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Isabelle Jeker, 41, Naturheilpraktikerin in traditioneller Chinesischer Medizin

Es ist, als würde ich kein Zmittag essen.

Aufgezeichnet von Cornelia Schlatter

Velofahren ist einfach gäbig und günstig und es gibt mir so viel Freiheit. Ich wohne mittlerweile seit 17 Jahren in der Stadt Zürich und nutze mein Velo seither intensiv für all meine Wege. Die ÖV benutze ich nur im Winter, wenn es eisig ist oder falls ich mal verletzt sein sollte, aber es passt mir dann so gar nicht. Velofahren gehört einfach zu meinem Leben dazu.

Das Velo fährt, wann ich will und wohin ich will und ich kann so Bewegung in meinen Alltag integrieren. Ich bin gerne draussen an der frischen Luft. Ich bin eine absolute Frischluftfanatikerin. Und mal ganz rational gedacht, es gibt für mich absolut keine Nachteile beim Velofahren, es ist einfach so simpel.

Velofahren im Stadtverkehr

Da ich mich schon so viele Jahre durch die Stadt bewege, weiss ich genau, wer sich wie im Stadtverkehr verhält. Ich fahre ein ganz normales, unauffälliges Stadtvelo. Es ist absolut kein Hipster-Velo, es muss möglichst günstig und unattraktiv sein, damit es nicht geklaut wird.

Zudem muss es vielseitig nutzbar sein, ich möchte damit auch mal über einen Randstein, aber auch auf Kies fahren können. Beim Velofahren widerspiegelt sich meine momentane Stimmung. Wenn ich mal «krieche», dann geht es mir eher nicht so gut. Allerdings versetzt mich das Velofahren normalerweise in eine positive Stimmung. Ich kann nach einem intensiven Arbeitstag in meiner TCM-Praxis vieles hinter mir lassen. Und da ich mich ganz auf den Verkehr konzentrieren muss, hilft das Velofahren mir auch prima beim Abschalten.

Jeden Tag schöne Momente erleben

Wenn man mich nach meinem schönsten Velomoment fragt, dann antworte ich, dass ich diesen täglich aufs Neue erlebe. Ich freue mich jeden Tag sehr, dass ich mit dem Velo zur Arbeit fahren darf und spüre es, wenn ich aus irgendeinem Grund mal nicht das Velo nehmen kann. Es ist, als würde ich kein Zmittag essen. Es fehlt dann einfach etwas.

Klar gibt es auch so Tage, an denen ich weniger Lust habe, zum Beispiel bei Dauerregen. Aber sobald ich auf dem Sattel sitze, ist alles gut. Ich bin auch in dem Verständnis aufgewachsen, dass es kein schlechtes Wetter gibt, nur schlechte oder ungenügende Kleidung.

Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre es, das gegenseitige Verständnis zwischen den Menschen generell und zwischen den Verkehrsteilnehmenden zu fördern. Die Menschen sollten mehr aufeinander schauen! Viel zu oft hat jeder das Gefühl, er sei allein auf dieser Welt. Als Velofahrerin bin ich mir sehr bewusst, dass ich verletzlicher und schwächer bin als ein Auto- oder ein Lastwagenfahrer. Es bringt doch nichts auf seinem Recht zu beharren. Ich warte lieber hinter einem Auto oder Lastwagen und lasse sie überlegen, wo sie abbiegen möchten, und drücke mich nicht noch schnell daran vorbei.

Mal ganz rational gedacht, es gibt für mich absolut keine Nachteile beim Velofahren, es ist einfach so simpel.

Grünphasen für Velofahrende

Ich denke das Ziel der Stadt Zürich ist es schon, den Velos mehr Platz zu geben. Dabei sollte sie sich besonders bei baulichen Massnahmen an den Velofahrenden orientieren. Die meisten, die in der Stadt mit dem Velo unterwegs sind, sind keine Freizeitvelöler, sondern wollen schnell und sicher von A nach B kommen. Ich würde es begrüssen, wenn zum Beispiel auch die Lichtsignale auf die Velofahrenden angepasst würden. In gewissen skandinavischen Ländern ist das bereits üblich, sodass die Velofahrerinnen und Velofahrer auch mal die Chance haben, eine Grünphase zu erwischen.

Respekt und gegenseitiges Verständnis

30er-Zonen zum Beispiel finde ich nicht zwingend gut und sicher für die Velofahrenden. Denn wenn Autofahrerinnen und Autofahrer etwas schneller fahren dürfen, können sie die Velos auch mal überholen und sind dann wieder weg. Bei 30 km/h ist man oft gleich schnell und es gibt ein Kopf an Kopf Rennen. Das finde ich viel gefährlicher, besonders bergab bin ich nicht selten schneller als die Autos und man holt sich dann gegenseitig immer wieder ein.

Ich wünsche mir mehr gegenseitiges Verständnis und ein Miteinander. Es fällt mir auf, dass es je länger, je mehr zwei Lager gibt, die Velofahrer:innen und die Velogegner:innen. Diese Dynamik ist extrem unschön und sehr schade. Die Menschen sollten einfach etwas netter sein, dann wäre es auf den Strassen viel entspannter.

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