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Kathrin Reimann, 37, Autorin

In meinem Tempo wären wir längst da …

Erzählt von Kathrin Reimann

Wie bringt man die Ansprüche und Voraussetzungen von zwei grundverschiedenen Velofahrenden für eine Reise unter einen Hut? Velo-Reise-Anfängerin Kathrin Reimann und ihr erfahrener Velo-Reise-Freund Ramon Keller stellten sich dieser Herausforderung. Ob das gut kommt?

Nufenen, Pragel und Susten – all diese Pässe ist Ramon schon gefahren. Jedes Jahr unternimmt er mit Freunden eine Veloreise und durchquert dabei verschiedene Nachbarländer. Ich hingegen bin mit meinem Velo vorwiegend in Winterthur unterwegs oder fahre am Wochenende hie und da mal an den Rhein oder an einen See. Nichtsdestotrotz wollen Ramon und ich ein gemeinsames Velowochenende verbringen.

Wasser, Zelt und Zug

Eine gelungene Reise beginnt mit der Planung. Da Ramon ein Gravel-Bike besitzt, ich aber nur Rennvelos fahre, suchen wir uns eine Strecke mit vorwiegend hartem Strassenbelag. Zudem soll die Route eher flach und möglichst wenig von anderen Verkehrsteilnehmern befahren sein. Auch Wasser ist ein Thema, das im Vordergrund steht – schliesslich wollen wir uns so oft wie nötig darin abkühlen können. Auch nicht allzu lang soll die Strecke sein. Eine Überforderung bei der ersten Velo-Reise könnte mir die Lust auf weitere verderben.

Da wir mit dem Zelt unterwegs sind, möchten wir auf einem Campingplatz am See übernachten. Schon bald finden wir mit dem Bieler Seeland eine hervorragende Region für unsere Tour. Mit dem Zug wollen wir nach Biel, übernachten im Camping Cudrefin und enden soll die Reise in Môtier. Schnell sind Zugtickets mit Veloplätzen gekauft und ein Zeltplatz reserviert. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir allerdings noch nicht, dass unsere Reise nicht ganz wie geplant verlaufen wird.

Polster und Snack-Taschen

Ebenfalls vor der Reise machen wir einen Abstecher in die Werkstatt, wo wir voller Vorfreude Reifen, Bremsen und Schaltung überprüfen.

Ramon in der Werkstatt

Die Velotaschen leihen wir uns von Bekannten aus. Besonders freue ich mich über die Snack-Tasche, welche ich mit Hingabe fülle. Ich folge dem Tipp, eine gepolsterte Velounterhose zu kaufen, was sich als unverzichtbares Accesscoire herausstellen wird. Und um meine Handballen zu schonen, lege ich mir gepolsterte Velohandschuhe zu.

Die Sonnenseite des Bielersees

Wir haben Glück: Am Abreisetag ist das Wetter angenehm warm und trocken. In Winterthur nehmen wir den Zug Richtung Lausanne. Am Bahnhof in Biel steigen wir um auf unsere Fahrräder. Dank Ramons Navigationssystem wissen wir meistens, welcher Weg der richtige ist. Unsere Route führt uns entlang des Bielersees.

Kathrin Reimann fährt mit dem Rennvelo entlang der Rebberge
Kathrin mit ihrem Rennvelo

Dabei passieren wir malerische Winzerdörfer und die sonnenverwöhnten Rebhänge. Zahlreiche Sitzbänke, Bade- und Spielplätze laden zum Verweilen ein. Im mittelalterlichen Städtchen La Neuveville machen wir unseren ersten Halt, – gezwungenermassen, da mein Fahrrad nicht mehr richtig schaltet. Glücklicherweise habe ich mit Ramon einen Profi zur Seite, der das Problem umgehend lösen kann. Tipps für sicheres Velofahren gibt es übrigens hier.

Im Städtchen La Neuveville

Nach einem Städtchenbummel und Mittagessen fahren wir in gemütlichem Tempo weiter. «Wenn wir in meiner Geschwindigkeit fahren würden, wären wir längst beim Camping angekommen», kann Ramon ein kleines Sticheln nicht unterlassen. «Immerhin kann man die Aussicht besser geniessen und kommt auch mit anderen Menschen in Kontakt,» anerkennt auch er den Sinn hinter gedrosseltem Tempo. So wie beispielsweise bei einer Schulklasse auf Wanderschaft: Schon drei Stunden seien sie unterwegs, jammern die Schülerinnen und Schüler, die uns um jeden Preis unsere Velos abkaufen wollen.

Naturschutzreservat Fanel

Allmählich verlassen wir den Bielersee und fahren in Richtung Neuenburgersee. Auch hier führt unsere Route durch eine grüne, abwechslungsreiche Landschaft. Rund um Cudrefin befindet sich das Naturschutzreservat Fanel. Dieses gehört zu den wichtigsten Naturschutzgebieten der Schweiz, welches rund 300 verschiedene Vogelarten beherbergt. Von diesen kann man sich im BirdLife Center ein Bild machen. Leider ist es bei unserer Ankunft geschlossen. Deshalb erkunden wir das Fanel-Gebiet mit unseren Velos ausgehend vom Campingplatz – was bloss auf der «Hauptstrasse», nicht auf Nebenwegen, erlaubt ist. Dennoch kehren wir aufgrund einer sehr hohen Mückendichte schnell wieder zurück.

Naturschutzgebiet Fanel

Beim Camping stellen wir unser Zelt direkt neben dem See auf und machen ein kurzes Nickerchen. Gefahren sind wir rund 33 Kilometer, die Müdigkeit kommt daher eher vom frühen Aufstehen und den vielen Eindrücken. Nach einem Sprung in den See und einem Abendessen vor dem Zelt geht es auch schon bald in die Schlafsäcke. Schliesslich wollen wir am nächsten Morgen wieder fit für die Weiterfahrt sein.

Sonnenuntergang am See
Windiger Morgen
Weite Landschaft auf dem Weg nach Murten
Sonne, Wind und Murtensee

Im Windschatten nach Murten

Der nächste Morgen überrascht uns mit starkem Wind. Wir fahren los und ich lerne heute, wie anstrengend eine Fahrt bei Gegenwind sein kann. Gleichzeitig erkenne ich, wie hilfreich es ist, in Ramons Windschatten zu fahren. Wieder geniessen wir auf unserer Route wunderschöne Ausblicke auf Neuenburger- und Murtensee, passieren kleine schmucke Dörfer und erreichen nach rund 15 Kilometer Fahrt Murten.

Blick auf Murten

Die malerischen Altstadt-Gassen mit den gemütlichen Laubengängen laden zum Verweilen und Entdecken. Wir geniessen ein Mittagessen und planen unsere Reise weiter, denn wir haben noch Kraft in den Beinen und Lust, Weiteres zu entdecken. 

Schnelle Fahrt nach Kerzers

Doch auf die geplante Umrundung des Murtensees verzichten wir, da ein grosser Teil der Strecke wegen eines Erdrutsches gesperrt ist. Wir wägen verschiedene neue Varianten ab. Dabei steht für uns auch die Anbindung an den Öffentlichen Verkehr im Vordergrund. Unser ursprüngliches Ziel Môtier fällt weg, weil wir für den Rückweg aufs Schiff umsteigen müssten, wodurch wir viel Zeit verlieren würden.

Wir entscheiden uns für eine Fahrt nach Kerzers. Und da diese Route auf einem praktisch unbefahrenen Landweg verläuft, kann Ramon endlich richtig in die Pedale treten und seine Geschwindigkeit erhöhen – und ich versuche einigermassen mitzuhalten und merke, wie viel Spass auch das schnelle Fahren macht! Glücklich und zufrieden mit dieser ersten gemeinsamen und sehr gelungenen Velo-Reise kommen wir in Kerzers an, stossen darauf an und steigen schon bald wieder in den Zug nach Winterthur.

Lust auf Momente sammeln

Während der Rückreise beginnen wir bereits unseren nächsten Velotrip zu planen. Denn diese Leichtigkeit und dieses Freiheitsgefühl beim Velo-Reisen verspüren, möchte ich bald wieder erleben. Es bietet perfekte Momente, die Welt neu zu entdecken, schneller als zu Fuss, aber dennoch viel bewusster als motorisiert. Absteigen und verweilen, wann und wo immer man will. Mit guter Planung, mit gegenseitiger Rücksichtnahme und mit Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse können auch Anfänger und Fortgeschrittene gemeinsam auf Veloreise – Möglichkeiten voneinander zu profitieren, gibt es dabei genug.

Zur Person von Kathrin Reimann:

Kathrin Reimann ist als vielseitige Autorin unterwegs. Ramon Keller studiert Umweltnaturwissenschaften und engagiert sich bei VELOVE, der Cycling Community der Zürcher Studierenden.

Reiseroute:

Start in Biel, Ziel in Kerzers

Tag eins: Biel – La Neuveville – BirdLife-Naturzentrum La Sauge – Cudrefin

Tag zwei: Cudrefin – Murten – Kerzers

Übernachtung:

Camping Communal de Cudrefin

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