Lifestyle
Oliver Zimmerli, 40, Coach, Fitnesstrainer

Dank der Liebe habe ich gelernt: Man kann auch mal 6 Stunden auf dem Velo hocken.

Aufgezeichnet von Christian Nill

Ich liebe den Fitness-Aspekt beim Velofahren. Ich habe den Velosport schon früh für mich entdeckt. In der Oberstufe fuhr ich immer mit dem Velo in die Schule. Zu Fuss wäre es zu weit gewesen. Morgens radelte ich jeweils durch die Altstadt von Aarau und sauste dann den steilen Ziegelrain runter. Und nach der Schule wieder zurück. Dieser steile Stotzen hatte mir erstmals gezeigt, dass man nicht nur beim Fussballspielen ins Schwitzen kommt! Auch die Lehrstellensuche später wäre mit dem ÖV nicht wirklich praktikabel gewesen, ebenso wenig der tägliche Arbeitsweg zu meinem Malermeister. Jeden Tag gings dann ein, zwei Kilometer den Berg hoch. Und Klein-Oli realisierte, dass es Mal für Mal einfacher ging.

Faszination Velo

Die Faszination fürs Velo begann schon als kleiner Junge. Damals bewunderte ich das bordeauxrote Rennvelo meines Grossvaters. Der war immerhin ein Cousin des legendären Francesco Moser, der 1984 den Giro d’Italia gewonnen hatte. Mit meinem Bruder und meinem Vater schauten wir früher regelmässig die ganzen Velorennen im TV. Das hat mich immer begeistert! Die Battles zwischen Pantani, Armstrong und Ulrich – das war damals in dieser Epo-verseuchten Zeit. Oder die Extravaganz der italienischen Rennfahrer, wenn sie sich auf dem Rennvelo eine Zigi anzündeten oder sich an Polizeiautos hingen.

Faszination Rennfahren

Dennoch hat es gedauert, bis ich das Rennfahren für mich entdeckte. Darauf gebracht hat mich eigentlich meine Lebenspartnerin Desiree. Wir lernten uns im Gym kennen. Ihre Begeisterung für Triathlon hat mich sofort gepackt. Damit wir dann auch am Sonntagnachmittag etwas gemeinsam unternehmen konnten, schwang ich mich aufs Velo. Und lernte, dass man auch mal fünf, sechs Stunden am Stück auf dem Sattel hocken kann.

Als Personal-Coach und Fitnesstrainer habe ich die Möglichkeit gesehen, mit dem Velo noch mehr aus meiner körperlichen Entwicklung zu machen. Für mich sind die gesundheitlichen Aspekte entscheidend – und zwar für Körper, Geist und Seele! In dieser Zeit begann ich, als Hobbyrennfahrer an Strassenrennen teilzunehmen. 2018 wurde ich sogar Dritter beim Ardennen-Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich.

Genussvoll Velofahren

Aber das ist nur ein Teil meiner Veloleidenschaft. Genauso gerne unternehme ich mit Desiree oder mit Kollegen Ausflüge auf dem Velo. Wir fahren dann jeweils sehr früh los, einfach eine Plauschfahrt, nach Lust und Laune. Irgendwo machen wir Rast, geniessen die Natur, dann kehren wir ein, essen ein Stück Kuchen. Diese Touren sind wie ein Ventil für mich. Da komme ich zur Ruhe. Und abends lasse ich alles auf dem Balkon nochmals Revue passieren, bei einem Glas Wein. Das ist einfach schön.

Negative Erfahrungen

Natürlich hats mich auch schon mehr als einmal über den Haufen geworfen. Einmal hat mich ein Autofahrer, der von einem Vorplatz kam, abgeschossen. Obwohl wir Augenkontakt hatten und er mich also kommen sah, fuhr er noch schnell vorne rein. Hat nicht geklappt, er hat mich mit dem Heck weggeschleudert, ich flog ein paar Meter durch die Luft – und er machte die Düse. Fahrerflucht! Zum Glück half mir mein jahrelanges Training, dass ich das Gröbste selber auffangen konnte. Bis allerdings meine Brust- und Halswirbel wieder richtig gesetzt waren, dauerte es eine Weile.

Generell denke ich, dass wir alle oft zu hektisch und gestresst unterwegs sind. Sowohl Auto- wie Velofahrer. Ich habe zwar kein Auto, aber miete hin und wieder eins für Transporte. Da sehe ich dann, wie die Leute auf dem Velo unachtsam sind, nicht aufpassen, keinen Helm tragen, keine Zeichen geben, vorne reinfahren. Und auf dem Velo erlebe ich zu oft Autofahrer, die mit dem Handy telefonieren, die einfach abbiegen, ohne zu schauen. Wir sollten alle etwas sanfter durch die Stadt fahren.

Grundsätzlich denke ich trotzdem, dass wir in der Schweiz punkto Veloverkehr auf einem guten Weg sind. Einfach weiterhin mehr Velowege bauen. Und was noch fehlt, wäre eine Art Benefit für Velofahrer. Warum gibt es keine Steuererleichterung für Velofahrerinnen und Velofahrer ohne Auto?

Weitere Geschichten