Ich bin in Uerzlikon aufgewachsen, einem einfachen Bauerndorf an der Grenze zum Kanton Zug. Heute wohne ich wieder da. Damals in den 70er-Jahren war das Velo die einzige Möglichkeit, um als Kind mobil zu sein. Wir hatten kein Auto. Meine Eltern besassen beide nur Töffli. Wir Kinder machten alle Besorgungen entweder zu Fuss oder mit dem Velo: zum Einkaufen, in die Badi oder zur Schule. Da man mit dem Velo viel schneller war, wurde es zum selbstverständlichen Transportmittel für alle Kids in meinem damaligen Umfeld, denn es gab auch noch keine ÖV-Anbindung im Stundentakt und Mama-Taxis schon gar nicht.
Wir waren frei. Es war eine unbeschwerte Zeit. Ich bin dankbar, dass ich das erleben durfte. Damals gab es noch keine Smartphones und man war auch nicht in diesem Daueralarm-Modus, in dem wir heute leben. Wir waren viel weniger überwacht als die Jungen heute.
Eigentlich hätte ich gerne eine Mechanikerlehre für Autos oder Motorräder gemacht, aber diese Lehrstellen waren alle schon vergeben. So begann ich zuerst eine Maurerlehre. Der Zufall wollte es, dass drei Monate später im Nachbardorf eine Velomechaniker-Lehrstelle frei wurde, zu der ich wechseln konnte. Velos spielten während der «Stifti» allerdings noch eine untergeordnete Rolle. Damals schraubten wir vorwiegend an den Töfflis herum.
Der Grundstein für meine Leidenschaft fürs Velo wurde erst in der Vorbereitung auf die Meisterprüfung gelegt. Ich arbeitete damals bei Fredy Rüegg, einem Rennvelospezialisten in Affoltern am Albis. Dort lernte ich nicht nur, Velos zu bauen, sondern auch die Finessen des Rennvelofahrens. Eines Tages spazierte dort Silvio Seiler herein, der damalige Chefredaktor des «Velo»-Magazins, der mich mit dem Schreiben erster Artikel zum Journalismus brachte.
Das Velo als Türöffner
Das Velo und das Velofahren bedeuten mir viel. Es ist mein Lebenserwerb. Es begleitet mich seit meiner Lehrzeit. Dank dem Velo konnte ich viele Kontinente bereisen. Es war ein Türöffner für Vieles, vom Handwerk als Velomechaniker über das Fotografieren, bis hin zu meiner publizistischen Tätigkeit als Journalist und Experte für Velothemen. Im 2020 übernahm ich die Geschäftsführung von Velosuisse, dem Verband der Schweizer Fahrradlieferanten. Ausserdem bin ich redaktioneller Leiter des Schweizer E-Bike-Magazins easybiken.
Nach meinen Lehrjahren, dem Militär, der Meisterprüfung und dem anschliessenden Abstecher nach Fribourg zu Scott Europe, arbeitete ich bald zu 60 Prozent als Redaktor für das Velo-Magazin. Die restlichen 40 Prozent arbeitete ich für Peugeot. Dort montierte ich Velos. Diese beiden Tätigkeiten auszuüben und verbinden zu dürfen, war für mich sehr erfüllend. Ich erinnere mich sehr gerne an diese gute und intensive Zeit, in der auch meine Tochter zur Welt kam. Damals wurde ich vollends vom Velovirus infiziert.
Ein Flair fürs Schreiben
Mein Velowissen und mein Faible für die deutsche Sprache ermöglichten es mir bald, Vollzeit in den Journalismus einzusteigen. Durch meine Artikel im «Velo» erhielt ich weitere Aufträge aus anderen Redaktionen. Besonders prägend war für mich der Doping-Skandal an der Tour de Suisse 1999, den ich publik machte und der internationales Echo auslöste. So entstand der Kontakt zur NZZ, für die ich in den Bereichen Sport und Mobilität während 20 Jahren schrieb. Zudem war ich während 22 Jahren zuständig für die Schweizer Seiten im Deutschen «bike»-Magazin.
Velofahren macht mich einfach glücklich. Wenn ich einen Schreibstau habe, gehe ich entweder Velofahren oder in meine Velowerkstatt, das hilft immer und befreit den Kopf. Für mich bedeutet Velofahren Freiheit, Glück und Effizienz.
Wenn ich einen Schreibstau habe, gehe ich Velofahren oder in die Velowerkstatt!
Effizient und demokratisch
Von der Effizienz des Velos als Transportmittel bin ich zutiefst überzeugt. Von mir daheim über den Albispass bis in die Zürcher City brauche ich mit dem schnellen E-Bike nur 35 Minuten. Dabei ziehe ich an jeder Kolonne vorbei und umfahre jede Rushhour. Nur schon aus Zeitgründen lohnt es sich aufs Velo zu setzen.
In Stadt und Agglomeration ist das Velo die Lösung für die Mobilität der Zukunft, denn es ist platzsparend, ressourcenschonend und hält fit. Mit dem E-Bike ist es zu einer Demokratisierung des Velofahrens gekommen: Dank der Motorunterstützung können auch schwächere oder weniger gut Trainierte in der Gruppe stressfrei das erhebende Gefühl des Velofahrens erleben. Das macht Freude und motiviert.
Das Velo auf der Überholspur
Die Zukunft des Velos sehe ich rosig. Oft fragen mich die Leute, ob der Veloboom, der durch die Corona-Massnahmen verstärkt wurde, wieder abflauen würde. Meine Antwort ist klar NEIN! Die Agglomerationen wachsen stetig und mit ihnen die Blechlawinen. Das Velo dagegen bleibt von Staus und Parkplatznöten verschont. Deshalb wünsche ich mir, dass es vorwärtsgeht mit der Veloinfrastruktur. Studien belegen nämlich, dass eine fehlende oder gefährliche Veloinfrastruktur der Hauptgrund ist, der viele Menschen vom Velofahren abhält.
Oft sind die Baubewilligungsverfahren für eine geeignete Veloinfrastruktur jedoch langwierig und komplex und die Einsprachemöglichkeiten vielfältig. Ich wünschte mir deshalb einfachere Lösungsansätze und einen pragmatischeren Weg für deren Umsetzung. Lieber breitere Strassen mit einem Radstreifen, der für den motorisierten Verkehr als Sperrfläche definiert ist, als stets aufwendig abgetrennte, teure Radwege, die bezüglich Vortrittsrecht bei Kreuzungen die Velofahrenden benachteiligen und dazu erst noch mehr Kulturland bedürfen.
Velokilometer in den Beinen
Ich arbeite viel von zu Hause aus. Wenn ich aber einen Aussentermin habe, nehme ich, wenn immer möglich, das Velo – selbst wenn ich mal nach Aarau muss. Für die rund 50 Kilometer lange Strecke benötige ich etwa anderthalb bis zwei Stunden. Als ich noch Hobby-Rennen fuhr, legte ich locker 10’000 Kilometer auf dem Velosattel zurück. Heute sind es noch rund 5’000 bis 6’000 Kilometer im Jahr.
Mit dem Velo habe ich schon einige verrückte Touren gemacht. So bin ich mit der ganzen Familie und unserem Tandem nach Rust in den Europapark gefahren. Auch haben wir schon eine einwöchige Veloreise im grossen Bogen um den Zürichsee unternommen. Dabei fuhren wir hoch bis an den Bodensee, das Rheintal hinunter und gleich noch um den Walensee.
Wunschreisen
Zwei Wünsche möchte ich mir noch erfüllen: Erstens würde ich gerne meine Verwandten im Südtirol mit dem E-Bike besuchen. Bis dorthin sind es rund 400 Kilometer über den Flüela- und den Ofenpass. Und dann würde ich einmal gerne Kuba mit dem Velo bereisen.
Zurzeit arbeite ich gerade mit meinem Team an der neusten easybiken-Ausgabe, die im September erscheinen wird. Man darf gespannt sein auf Themen zu E-Bikes, City-Touren, Veloferien, Sport und interessanten Testberichte von E-Bikes, die neu auf den Markt kommen. Das Velo beschäftigt mich in allen Bereichen des Lebens. Jetzt hoffe ich einfach, dass ich wieder vermehrt zum Velofahren komme. Die Coronazeit hat mich schon ziemlich ausgebremst.