Es ist so eine Sache mit der Motivation, das Velo trotzdem zu nutzen, wenn das Velofahren zwar begrüsst, aber gleichzeitig heruntergespielt wird.
Vielleicht ist die Motivation vergleichbar mit einem Perpetuum Mobile. Einmal richtig angestossen, läuft es aus eigenem Antrieb. Doch wie schon Leonardo Da Vinci urteilte, sei eine Maschine nicht realisierbar, die einmal in Gang gesetzt aus eigener Kraft läuft. Dennoch scheint Velofahren im Alltag in den meisten Fällen ein Selbstläufer.
Wer etwas erreichen will, sucht sich Ziele, wer zaudert sucht sich Gründe.
Die Ziele des Velofahrens …
Es ist simpel: Durch die alltägliche Bewegung mit dem Velo gewinnen Körper und Geist gleichermassen. Das Velo ist ein vergleichbar gemeinwohlorientiertes Verkehrsmittel. Es spart Platz. Es ist frei von Lärm und Abgasen und schont das Portemonnaie. Folgende Ziele rücken durch vermehrte Velonutzung in greifbare Nähe:
- Sinkende Gesundheitskosten
- Sinkende Folgekosten der Mobilität
- Aufwertung urbaner Lebensräume
- Weniger Gefahr für Mensch und Tier im Strassenraum
- Ein greifbarer Absenkpfad für CO₂-Emissionen
Zu hoch gegriffen? Selbst das Elektrovelo ist ein klimafreundliches Fortbewegungsmittel. Unschlagbar wird das aktive Verkehrsmittel in naher Zukunft, betankt mit Strom aus Sonnen- und Windkraft. Zwar erzeugt die Herstellung eines e-Velos mehr CO₂ als sein mechanisches Pendant. Laut Zahlen aus dem Velohandel wird das e-Velo dank der Pedalierhilfe jedoch häufiger genutzt. Zugleich ermöglicht es viel mehr Personenkilometer in Alltagskleidern mit deutlich weniger Schweiss und Duschwasser. Ob mit oder ohne Pedalierhilfe, all diese positiven Werte alleine motivieren nicht automatisch zum Umsteigen.
… versus der Gründe dagegen
Die Herausforderungen für eine stabile Zukunft wachsen rasant. Umso höher müssten gesellschaftliche Ziele gesteckt sein. Alte Geschäftsmodelle bröckeln. Und scheinbar hangeln wir uns von Krise zu Krise. Wo Entscheidungen getroffen werden, zählen nicht nur Inhalte, sondern auch Interessen. Daraus entsteht ein Handlungsproblem: das Wahren des Status Quo. Mit diesem Ziel in Gründe gepackt, lässt sich das Velofahren im Alltag besonders leicht klein reden. Geradezu marginalisierend wirken folgende Musterbeispiele:
- Das Velo ist halt ein wetterabhängiges Verkehrsmittel
- Das Velo kann das Auto nicht ersetzen
- Wenn es regnet und schneit, fährt sowieso niemand mit dem Velo
- Velofahren tun nur Linke und solche, die sich kein Auto leisten können
- Velofahren ist viel zu gefährlich
Lassen wir diese Rhetorik für einmal einfach im Raume stehen. Solche Gründe wurden mit den ermutigenden Velo-Geschichten unserer Protagonistinnen und Protagonisten schon mehrfach widerlegt.
Die Frage aller Velo-Fragen
Ist das Velofahren ohne Sport- oder Freizeit-Ambitionen überhaupt noch sinnvoll oder erstrebenswert? Velo oder nicht Velo? Die Antwort darauf fällt mir leicht. Aus eigener Erfahrung: Ja, unbedingt! Die Vorteile für jeden Einzelnen liegen auf der Hand. Selbst für Automobilisten hat es klare Vorteile. Denn mehr Velos im Alltagsverkehr bedeuten mehr Platz im Strassenraum und somit weniger Staus. Einzelne Velofahrer sind leichter zu ignorieren als viele. Viele Velofahrende bedeuten aber auch schnell überlastete Veloinfrastruktur, falls wir den heutigen Status beibehalten. Der Auftrag aus dem Bundesgesetz über Velowege an die Kantone und Gemeinden ist klar definiert. Deshalb bin ich voller Zuversicht.
Aber das Wesentliche zum Ende dieser Velo-Geschichte: Vertreibt man die gröbsten Hürden aus dem Kopf und lernt für ein paar Wochen das Draussen neu kennen, spürt die Jahreszeiten deutlicher und fährt einmal begleitet von neugierigen Jungschwalben entlang von Feldern, erkennt man, dass das alltägliche Velofahren einem fehlen wird, wenn die Zeit gekommen ist, es loszulassen.
Die Motivation kommt von ganz alleine. Oder wie ich es zu sagen pflege, die Gefahr besteht, dass das Velofahren mit einem passenden Alltagsvelo uns den Ärmel so richtig hineinzieht.
Gute Fahrt Ihnen allen, egal womit Sie heute unterwegs sind.