Lifestyle
Cyril Aebersold, 24, Velo-Kurier

Das Velo integriert sich einfach super in eine Stadt!

Aufgezeichnet von Cornelia Schlatter

Wie wollen wir leben und wie sollen unsere Quartiere aussehen? Diese Fragen stelle ich mir oft.

Besonders in Städten ist Velofahren so naheliegend und macht am meisten Sinn. Das Velo lässt sich wunderbar in den städtischen Verkehr integrieren. Meiner Meinung nach gibt es kaum sinnvolle Alternativen, ausser dem öffentlichen Verkehr. Der ist auch wichtig, besonders in den Agglomerationen. Die Übergänge vom Velo zum ÖV, beispielsweise an Bahnhöfen, müssen gut geplant und umgesetzt sein. Wenn die Infrastruktur gut ist, fahren automatisch mehr Menschen Velo.

Ich bin sehr motiviert, etwas zu bewirken. Dieses Jahr habe ich mich deshalb auch klimapolitisch engagiert. Unser Klima und die Umwelt liegen mir besonders am Herzen. Man kann die Folgen unseres Handelns einfach nicht mehr einfach ausblenden.

Für mehr Verkehrssicherheit

Tagtäglich begegne ich Situationen im Strassenverkehr, die man entschärfen könnte. Aus diesem Grund habe ich vor wenigen Wochen an der ZHAW mit dem Studium zu Verkehrssystemen begonnen. Es ist ein sehr konkreter Studiengang. Danach möchte ich zur Lösung von verzwickten oder gefährlichen Verkehrssituationen beitragen können.

Das Wichtigste beim Velofahren ist, sicher am Ziel anzukommen, besonders seit ich vor einem Jahr anfing, als Velokurier für eine Sushi-Kette zu arbeiten. Zuvor war ich als Autokurier unterwegs. Ich kenne die Stadt mittlerweile richtig gut. Ein Kollege, der bereits als Velokurier arbeitete, motivierte mich dazu. So bin ich vom Auto aufs Velo umgestiegen und bereue es nicht. Ein grosser Vorteil ist, dass ich beide Perpektiven kenne. Man muss sich einfach bewusst sein, dass man mit einem Auto eine potenziell gefährliche Maschine bedient. Das hat auch damit zu tun, dass man sich im Auto leicht von der Umwelt abkapseln kann. Fenster zu, Musik an und schon nimmt man nur noch wenig von der Aussenwelt wahr.

Bessere Infrastruktur vermeidet Konflikte

Damit der Verkehr sicherer wird, braucht es mehr Verständnis füreinander und bessere Infrastruktur mit mehr abgetrennten Velowegen. So würden viele Konflikte einfach vermieden. Ein ganz schlechtes Beispiel ist der Albisriederplatz. Da bin ich schon mehrmals beinahe von einem Auto abgeschossen worden. Ein positives Beispiel hingegen ist die Bernstrasse von Schlieren nach Altstetten. Dort gibt es einen sehr breiten Veloweg mit Randstein. Da fühle ich mich sehr sicher.

Als ich vor Jahren in die Stadt gezogen bin, kaufte ich ein altes Velo, um damit von A nach B oder einfach nur zum Bahnhof zu fahren. Das Velo war für mich ein Transportmittel. Zwar war ich schon immer sportlich und habe als Kind mit den Eltern zahlreiche Velotouren unternommen. Die Leidenschaft fürs Velofahren hat sich aber erst so richtig entwickelt, seit ich als Velokurier tätig bin.

Mein rosa Gravelbike

Jetzt ist das Velo ist zu meinem wichtigsten Arbeitsgerät geworden. Als ich meinen Velokurier-Job aufgenommen habe, kaufte ich mir ein rosa Gravelbike. Dieses Velo ist ganzjahrestauglich. Im Sommer könnte ich sogar schmalere Sommerreifen montieren.

Dank meiner Erfahrung habe ich ein sehr gutes Gespür für den Strassenverkehr.

Mit meiner Wahl bin ich jedenfalls sehr zufrieden, schliesslich lege ich mit meinem Bike pro Woche durchschnittlich rund 300 Kilometer zurück. In einer ganz intensiven Woche waren es auch schon 600 Kilometer. Pro Jahr kommen da weit über 12’000 Kilometer zusammen!

Mit so vielen Kilometern in den Beinen gewinnt man laufend neue Erfahrungen. Und Erfahrung bringt Sicherheit. Ich überblicke heute den Strassenverkehr viel besser, als früher. Ich empfinde es auch als Privileg, in der Schweiz leben zu dürfen. In vielen Ländern gibt es noch nicht einmal Verkehrsplanung.

Entschleunigung

Velofahren ist ein befreiendes Gefühl. Ich kann dabei erstaunlich gut und schnell abschalten. Ich bin dann ganz auf das Velofahren und den Verkehr fokussiert. Es macht mir viel Freude. Und es gibt nichts Besseres, um dem Alltagsstress zu entkommen, als rausgehen, sich aufs Velo setzen und losfahren. Ich bin dann ganz im Moment.

Während meinen Schichten als Velokurier habe ich schon so viele schöne Sonnenuntergänge bewusst erlebt. Man ist einfach näher dran und nimmt die Umwelt intensiver wahr. Einmal hat sogar ein Reh meinen Weg gekreuzt, als ich in Richtung Höngg durch den Wald gefahren bin. Als Velofahrer bin ich eben leise und viel mehr mit der Natur verbunden.

Velo-Check mit Blick in die Zukunft

Ich bin kein verbissener Velofahrer. Das Velo kann ich in meiner Freizeit durchaus mal stehen lassen. Ich wohne in einer grossen Wohngemeinschaft und inspirierte da schon Mitbewohner:innen, mehr Velo zu fahren. Meinen WG-Kolleg:innen habe ich einen Velo-Check angeboten und ihnen gezeigt, wie man einen platten Reifen repariert.

Hat man ein gut funktionierendes Velo, macht das Velofahren einfach viel mehr Spass. Dank meinem Ziel, all meine Velos selbst reparieren zu können, benötige ich kaum mehr einen Velomech. Auch begleitete ich schon Kolleg:innen an die Velobörse und beratete sie beim Aussuchen des Velos.

An dieser Stelle werfe ich noch gerne einen Blick auf die Weiterentwicklung und Zukunft des Velos. Ich frage mich, weshalb Velomobile nicht mehr gefördert werden. Sie sind aerodynamisch und brauchen weniger Platz auf den Strassen, als Autos. Ich denke, es würde sich lohnen, hier mehr zu investieren. Velomobile können auch etwas Gepäck aufnehmen und das erst noch vor der Witterung geschützt.

Das Velo und veloähnliche Fahrzeuge haben in meinen Augen noch viel ungenutztes Potenzial. Wenn ich ein Problem sehe, möchte ich es gerne beheben und suche gleich nach Lösungen. So habe ich viele coole Visionen in Bezug auf den Verkehr und das Velo. Es gibt noch so viel zu verbessern.

Infobox: Das Velomobil

Ein Velomobil ist ein muskelkraftbetriebenes Fahrzeug mit einer geschlossenen stromlinienförmigen Verkleidung. Fahrerinnen und Fahrer sind somit vor Wind und Regen schützt. Velomobile werden oft aus Liegedreirädern mit tiefem Schwerpunkt entwickelt und haben daher in der Regel drei Räder.

Zweck und Bauform von Velomobilen sind meist sportlicher ausgelegt, als beispielsweise von Rikschas; ausserdem sind sie leicht konstruiert. Eine Unterstützung durch Elektromotoren ist oft gegeben.

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