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Wintervelofahren im Trend

Beitrag von Cornelia Schlatter

Verfällt Ihr Velo ab Herbst in einen künstlichen Winterschlaf? Geben Sie ihm eine Chance, sich auch im Winter zu bewähren. Sie werden überrascht sein, welche positiven «Nebeneffekte» Sie beim Velofahren im Winter erwarten.

Die positiven Aspekte

  • Velofahren ist auch im Winter gesund. Regelmässiges Pedalieren stärkt die Abwehrkräfte. Das Immunsystem weiss sich besser zu wehren. Besonders heutzutage ist das ein wertvolles Geschenk, das wir uns selbst machen können.
  • Velofahren an der frischen Luft sorgt für gute Laune, es wirkt stimmungsaufhellend und ist so ein einfaches Hausmittel gegen den Grau-in-Grau-Blues. Unser Körper braucht UV-Licht um Vitamin D zu produzieren, welches unsere Knochen stärkt. Die Gesichtshaut nimmt beim Winterradeln Sonnenlicht auf und kurbelt die körpereigene Vitaminfabrik an.
  • In die Wintermonate fallen ja auch viele Feste, welche mit gutem und üppigem Essen einhergehen – haben Sie gewusst, dass Velofahren bei Kälte viel mehr Kalorien verbrennt als in der Wärme des Sommers? Eine halbe Stunde reicht schon und Sie haben ca. 300 Kalorien verbrannt, was ungefähr einem Kilogramm Wassermelone oder 6 bis 7 Stück Chicken Nuggets entspricht.
  • Ausserdem ist Velofahren eine Verjüngungskur – Velofahrer sehen einfach frischer und gesünder aus, weil ihre Haut besser durchblutet wird. Gönnen Sie sich dieses kostenlose Beauty-Plus.

Winterwetter im Check

Wenn die Menschen in der Schweiz an Winter denken, denken sie an tief verschneite Alpenpanoramen oder meterhohe Schneewände. Das mag zwar in gewissen Bergregionen vorkommen. Allerding ist dies für die meisten Orte im Flachland keine adäquate Vorstellung. Hier regiert vor allem graues Einheitswetter mit ab und zu etwas Pflotsch* oder Regen. Nur noch selten schafft es Frau Holle, ihre Kissen bis in die Niederungen auszuschütteln. 

Das Winterwetter in den Niederungen ist kein echter Grund, das Velo einzuwintern. Das untermauern folgende Zahlen: Mit ca. 210 mm fallen im Winter weniger als 20 Prozent der Jahresniederschläge. Somit wurde der Winter, zumindest im Raum Zürich, die trockenste Jahreszeit. Letztes Jahr waren zudem alle Wintermonate übertemperiert. Nur der Januar brachte etwas Flachlandwinter. Der Februar 2019 war sogar so sonnig wie ein durchschnittlicher April. Im ganzen letzten Winter gab es bloss 8 Eistage, Tage mit einem Temperaturmaximum unter 0° Grad.

Gegenargumente

Hauptargumente gegen das Velofahren im Winter sind oft die Angst vor Stürzen, die Kälte oder der Zustand von Strassen und Radwegen. Ergänzt wird diese Liste durch die Furcht vor dem Schmutzigwerden der Kleider, der Unbeweglichkeit durch dicke Kleidung oder dem Fehlen eines wintertauglichen Fahrrads. Allerdings gehören die drei letzten Punkte wohl eher zu den leicht lösbaren Beweggründen, die vom winterlichen Velofahren abhalten. 

Berechtigtes Gegenargument ist eindeutig, da Velowege noch äusserst unterprioritär vom Schnee befreit werden. Vielerorts bleibt die Velospur ungeräumt oder wird viel zu oft als Schneedepot missbraucht. Noch tagelang bleiben festgefrorene Schneebrocken liegen. Wenn es erst einmal richtig schneit, ist dies bei uns das einzige Aus fürs Velofahren.

Bremsklötze auf der Velospur
Gefrierende Schneedepots machen die dem Velo zugesprochene Spur für Tage unbefahrbar.

Auch wenn Schmelzwasser in der Nacht gefriert, wird es am frühen Morgen zur Sturzfalle. Hier bleibt noch viel Verbesserungspotenzial. Ein schaler Nachgeschmack bleibt.

20% Veloverkehr – im Winter

Wagen wir einen Blick in Nachbars Garten. Wie machen das andere Länder? Bricht dort der Winterveloverkehr auch so markant zusammen, wie bei uns? Ja und nein: In Deutschland und Österreich sind ähnliche Phänomene wie hierzulande zu beobachten. Aber gehen wir weiter nördlich, zum Beispiel nach Holland, Dänemark oder gar Finnland, sieht es anders aus. Natürlich kann man das skandinavische Klima nicht eins zu eins mit dem Unsrigen vergleichen. Nehmen wir als Beispiel das Finnische Oulu: Oulu ist die grösste Stadt nördlich des Polarkreises. Sie ist reich gesegnet mit Schnee und spärlichen Lichtverhältnissen. Und trotzdem liegt der Veloverkehrsanteil im Winter bei 20% (2017). 

Im Kanton Zürich waren es im Vergleich, Stand 2019, rund 2 % bei wesentlich freundlicheren Bedingungen. Die hohe Prozentzahl in Oulu ist nicht der wetterfesten finnischen Bevölkerung zuzuschreiben, sondern vor allem einer fortschrittlichen Veloinfrastruktur. Ihr wird in Oulu ein hoher Stellenwert zugedacht, und sie geniesst höchste Priorität. Die Velostreifen werden noch vor den Fahrspuren des motorisierten Verkehrs vom Schnee befreit. Das zeigt nachhaltig Wirkung. Im Kanton Zürich setzen wir uns dafür ein, dass das Velonetz stets verbessert wird, damit auch hier Wintervelofahren zur Selbstverständlichkeit wird und sich nicht anfühlt, wie Kaugummi kaufen am Kiosk auf dem Mond.

Lösungen sind gefragt

Vielleicht braucht es zusätzliche Anreize seitens Kantonen, Gemeinden oder auch von Unternehmen? Oft reicht ein kleiner Bonus, um das Velofahren attraktiver zu machen oder es ins Bewusstsein der Pendelnden zu rücken. Dies kann finanzieller Art sein. Es darf auch mit sicheren Veloparkplätzen beginnen, wo das Velo nicht gleich zum Eisklotz erstarrt.

Zugegeben, es gibt sie natürlich schon, die Tage, an denen das Velo besser stehen gelassen wird. Wenn es zum Beispiel kräftig stürmt oder die Strassen komplett vereist sind, wird es für alle Teilnehmenden des Individualverkehrs gefährlich. Wobei auch bei Eis kann man mit der richtigen Fahrtechnik und Bereifung viel wett machen. Passen Sie Ihren Fahrstil den Gegebenheiten an und kommen Sie sicher ans Ziel.

Spüren Sie Ihren inneren Yeti? Fahren Sie mit. Es lohnt sich. Der leise Veloverkehr wertet den urbanen Lebensraum enorm auf und macht Städte attraktiver. Wann haben Sie das letzte Mal fallendem Schnee gelauscht?

Wir wünschen allseits gute und sichere Fahrt und viele zauberhafte Winter-Velomomente.

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