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Viktor Häberling, 57, Steinmetz-Meister

Ein e-Bike ist wie ein kleiner Töff.

Aufgezeichnet von Vanessa Sadecky

Als ich noch Bauführer war, fuhr ich stets mit dem Auto zur Arbeit. Auf dem Armaturenbrett war eine Uhr verbaut, die mir verriet, wie lange ich schon unterwegs war. Das gab mir zu denken. Wegen Staus und der Parkplatzsuche verbrachte ich an die 3.5 Stunden pro Tag hinter dem Steuer. Schliesslich entschied ich mich irgendwann dafür, mit einem e-Bike zur Arbeit zu fahren.

Das war vor gut zehn Jahren. Heute könnte ich nicht glücklicher sein über meine Entscheidung von damals. Ich arbeite mittlerweile als Steinmetz für meine eigenen Kunden. An einem normalen Arbeitstag fahre ich von Baustelle zu Baustelle quer durch die Stadt Zürich.

Dank meinem e-Bike spare ich enorm viel Zeit und Nerven. Das Bike ist bereits schon mein zweites Modell. Mit meinem alten e-Velo legte ich 50’000 Kilometer zurück. Mit dem Neuen sind es jetzt auch schon 15’000 Kilometer. Mittlerweile besitzt nur noch meine Frau ein Auto. Selbst sehr lange Strecken fahre ich mit dem Velo, beispielsweise nach Luzern oder Bern.

Auf meinen Fahrten zwischen den Baustellen habe ich immer zwei Velotaschen dabei. Darin transportiere ich mein Werkzeug, Meter und Wasserwaage, sowie Dokumente für Besprechungen. Theoretisch könnte ich damit ca. 30 bis 40 Kilogramm transportieren.

Am Wochenende bin ich mit Muskelkraft unterwegs

Zum Glück verlernt man mit dem e-Bike das normale Velofahren nicht. In meiner Freizeit bin ich oft ohne Elektrounterstützung unterwegs. Am Wochenende trifft man mich mit meinen Grosskindern zusammen auf einem meiner sechs Velos. Klar ist das Fahrgefühl mit natürlichem Widerstand anstrengender, doch genau dies geniesse ich auf unseren Velo-Ausflügen. Ich wäre auch nicht der e-Mountainbike-Typ auf Wanderwegen.

In den ganzen Jahren mit dem e-Bike hatte ich bisher zwei kleinere Unfälle. Einmal im Herbst rutschte ich beim Landesmuseum auf nassem Laub aus. In hohem Bogen flog ich auf den Platz und holte mir glücklicherweise nur einzelne Schürfungen. Dieses Erlebnis erinnerte mich schmerzhaft daran, dass man nie vorsichtig genug sein kann, besonders bei Regen oder Schnee. Und doch lasse ich es mir nicht nehmen, bei jedem Wetter Velo zu fahren. Auch im Winter montiere ich dafür einfach spezielle Velo-Winterreifen mit Spikes.

Viktor auf der baustelle mit seinem e-Bike

Für alle, die sich ein e-Bike beschaffen wollen, hier ein paar Tipps, welche Fragen man sich vorher stellen sollte: Wofür brauche ich das e-Bike? Wie schnell soll es sein? Welche Strecken lege ich in einer Woche zurück? Und Vorsicht: leider gibt es viel billigen Schrott am Markt. Zudem muss man sich bewusst sein, dass e-Bike fahren höchste Aufmerksamkeit erfordert. Ein e-Bike ist wie ein kleiner Töff. Als ehemaliger Motorrad-Fahrer wage ich zu behaupten, dass es gar mehr Aufmerksamkeit als beim Töff fahren braucht. Auf der Fahrbahn balanciert man mit dem e-Bike wie im Sandwich neben und zwischen den Autos. Weder Autolenker noch Fussgänger realisieren verlässlich, dass man ein schnelles Velo fährt. Deshalb denkt man viel für die Anderen gleich mit.

Bereits in meiner Kindheit gehörte Velofahren einfach zum Alltag. In Uerzikon aufgewachsen fuhr ich ab der 5. Klasse täglich fünf Kilometer zur Schule, auch bei Wind und Wetter. Damals gab es einfach keine andere Möglichkeiten. Als Jugendlicher und Maurerlehrling war ich mit dem Töffli unterwegs. Das waren meine wilden Jahre, frei nach dem Motto: Je schneller, desto besser! Irgendwann bin ich ein bisschen ruhiger geworden. Aber nur ein bisschen, ich stieg um, damals, vom Töffli aufs Rennvelo.

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