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Velofahren mit Kopfhörern: Fluch oder Segen?

Velor: Hannes Munzinger

In einer Zeit, in der Mobilität und Flexibilität im Alltag eine wichtige Rolle spielen, greifen immer mehr Menschen zum Velo. Parallel dazu hat auch die Nutzung von Kopfhörern im Alltag zugenommen. Musik, Podcasts oder auch Hörbücher begleiten uns auf Schritt und Tritt. Doch wie verträgt sich die Nutzung von Kopfhörern mit dem Velofahren? In diesem Artikel wollen wir die Vorteile, Risiken und Alternativen beleuchten.

Medienkonsum im Strassenverkehr

Kopfhörer sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie bieten die Möglichkeit, unterwegs Musik zu hören, Podcasts zu verfolgen oder Telefonate zu führen, ohne andere Menschen zu stören. Gerade für Velofahrer scheint der Griff zum geräuschreduzierenden Kopfhörer verlockend, um dem Verkehrslärm etwas Praktisches entgegenzusetzen. Während das Tragen von Kopfhörern beim Velofahren hörbare Vorteile bietet, birgt es auch erhebliche Risiken. Doch wie ist überhaupt die Gesetzeslage?

Gesetzliche Regelung (CH)

Weder das Musikhören im Auto noch auf dem Velo ist in der Schweiz laut Strassenverkehrsgesetz verboten. Diese Erlaubnis hebt jedoch nicht die übergeordnete Regel auf, dass beim Lenken eines Fahrzeugs die Aufmerksamkeit dem Strassenverkehr zugewandt sein muss. Alles, was die Aufmerksamkeit beeinträchtigt, ist zu unterlassen.

Wird Verkehrsteilnehmenden nachgewiesen, dass sie wegen der Benutzung von Kopfhörern eine Gefahr nicht erkannt oder ein Warnsignal nicht gehört haben und es unter anderem deshalb zu einem Unfall gekommen ist, wirkt sich dies negativ auf die Strafzumessung aus. – Genau gleich wird das übrigens auch bei Motorfahrzeuglenkenden mit überdrehter Soundanlage gehandhabt.

Volle Dröhnung, voller Durchblick

Kopfhörer können Umgebungsgeräusche erheblich reduzieren, was zu einer verminderten Wahrnehmung führt. Umgebungsgeräusche reduzieren tun Fahrzeugkabinen zwar auch. Hupen, Klingeln oder Zurufe von anderen Verkehrsteilnehmenden können in beiden Fällen überhört werden. Nur: Bei einer unkalkulierten Begegnung mit dem Stärkeren im Strassenverkehr verliert in der Regel der Velofahrende, da jeder Aufprallschutz fehlt. Ob zu Fuss, im Auto oder auf dem Velo, die Aufmerksamkeit gehört in erster Linie in Fahrtrichtung. Die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmenden ist notwendig. Das Wichtigste sind jedoch direkter Blickkontakt und Handzeichen.

Wenn die akustische Wahrnehmung durch Kopfhörer, Strassenlärm oder Windgeräuschen beim Velofahren geschwächt ist, empfiehlt es sich, das Sichtfeld zu weiten. Unserem Hinterkopf fehlen die Augen. Obwohl wir durch Drehen des Kopfes den Blick durchaus nach hinten richten können, fehlt uns dann der Blick nach vorne. Deshalb lohnt es sich, im Gegenwartsgedränge der Städte einen Rückspiegel am Velolenker zu haben. Er ersetzt zwar nicht den direkten Schulterblick, schützt aber vor Schreckmomenten und Überraschungen.

Alternativen und Tipps

Die Welt ist bunt, deshalb gibt es auch zu diesem Thema Optionen und Möglichkeiten, an die man vielleicht noch gar nicht gedacht hat:

Tipp 1: Einseitige Nutzung

Eine Möglichkeit besteht darin, nur auf einer Seite einen Kopfhörer zu tragen. Dadurch bleibt ein Ohr frei für Umgebungsgeräusche. Dies kann das Unfallrisiko verringern, da ein Grossteil der akustischen Wahrnehmung erhalten bleibt. Die räumliche Wahrnehmung des Schalls wird jedoch beeinträchtigt.

Tipp 2: Lautstärke

Eine räumliche Wahrnehmung der Umgebungsgeräusche reduziert auf Zimmerlautstärke ermöglichen bisher nur wenige Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung (ANC). Manche Modelle verfügen über einen Transparenzmodus, der in Echtzeit gehörschädigenden Lärm herausrechnet. Solche technisch aufwändigen Kopfhörer sind jedoch nicht preiswert zu haben. – Unabhängig vom Kopfhörermodell können wir die Lautstärke so wählen, dass Umgebungsgeräusche noch wahrgenommen werden können.

Tipp 3: Lautsprecher

Manche nutzen akkubetriebene Lautsprecher an ihren Velos, um Musik zu hören. Denn manche Bluetooth-Lautsprecher passen genau in eine marktübliche Flaschenhalterung. Diese Art der Beschallung kann jedoch je nach Musikgeschmack durchaus verstörte Blicke nach sich ziehen. Selbst Helme mit eingebauten Lautsprechern sind erhältlich. Damit bleibt die Beschallung quasi unter einem Hut.

Tipp 3: Freies Ohr dank Knochenschall-Kopfhörer

Illustration eines heute modernen Knochenschall-Kopfhörers

Eine praktikable Lösung bieten Knochenschall-Kopfhörer. Diese übertragen den Schall über die Schädelknochen direkt ins Innenohr, sodass der Gehörgang frei bleibt und Umgebungsgeräusche weiterhin wahrgenommen werden. Der Strassenlärm bleibt so jedoch ungefiltert.

Tipp 4: Bewusst Pausen einlegen

Statt ununterbrochen Musik oder Podcasts zu hören, kann es sich lohnen, auf verkehrsreichen Strecken bewusst Pausen einzulegen. Auf ruhigen Streckenabschnitten können die Kopfhörer dann wieder relativ gefahrlos genutzt werden.

Fazit

Viele Velofahrende berichten, dass sie sich ohne Kopfhörer sicherer fühlen. Somit bleibt das Tragen von Kopfhörern auf dem Velo im Alltag ein zweischneidiges Schwert. Während es den Komfort erhöht, birgt es auch Sicherheitsrisiken. Es ist also Fluch und Segen zugleich.

Letztendlich liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, eine ausgewogene Entscheidung zu treffen, die stets die eigene Sicherheit und die von anderen Verkehrsteilnehmenden im Ohr behält – ganz egal, welches Verkehrsmittel Sie nutzen.

Happy cycling und gute Fahrt Ihnen allen.

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