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Alles Velofahren ist chic

Beitrag von Hannes Munzinger

Klar ist es eine Herausforderung, die Akzeptanz des Velos als Verkehrsmittel im Alltag zu festigen. Ob sich die Allgemeinheit zum Velofahren im Alltag bekennt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Deshalb laden wir Sie ein auf gedankliche Velo-Exkursion durch Raum und Zeit.

Die eigene Fahrspur

Bis Mitte des letzten Jahrhunderts waren Schweizer Städte durchaus velofreundlich. Damals setzten sich Veloverbände dafür ein, Strassen zu asphaltieren. So konnten die Alltagsradler ohne Schlammpfützen und Spurrillen von A nach B gelangen. Die Verbreitung des Velos als Massenverkehrsmittel war zu Beginn des letzten Jahrhunderts durchaus vergleichbar mit der Verbreitung des Automobils ab den Fünfziger Jahren.

Heute ist das Auto zweifelsfrei das beliebteste Verkehrsmittel der Zürcher Bevölkerung. Trotz Veloboom klingt es für Manche utopisch, den Velofahrenden von 8 bis 80 eine separierte und intuitiv erkennbare Velofahrspur anzubieten, um ein sicheres, direktes und durchgehendes Vorankommen zu gewährleisten. Denkt man jedoch dieses Szenario zu Ende, würde der Veloanteil am Gesamtverkehr stark zulegen. Jeder Velofahrende mehr, wäre ein Auto weniger und schafft Raum auf der Strasse. Auch wenn die eigene Fahrspur für Velofahrende dem Automobilisten wahre Grösse abverlangen würde, die Konflikte nähmen rasch ab.

Radsportorientiertes Velo-Business

Gegenden, in denen vermehrt Auto gefahren wird, pflegen eher eine Kultur des wettbewerbsorientierten Velofahrens. Lycradress oder Neonfarben bestimmen das Bild der einzig wahren Velophilosophie. Muss alles, was Räder hat, schnell sein? Zu viele Fahrradhersteller werben mit glorreichen Szenen aus dem Velosport für Produkte, die wenig mit Velofahren im Alltag zu tun haben. Schnittige, superleichte Renn- oder Geländemaschinen ohne Licht, Spritzschutz, Veloschloss oder Gepäckträger.

Alles Velofahren ist chic! Urbanes Wegpendeln ist Cycling Chic, einfach in Alltagskleidern. Erfreulicherweise erkennen einige Fahrradhersteller und Velohändler die Zeichen der Zeit und widmen sich den besonderen Bedürfnissen des Alltagsveloverkehrs.

Gehör für Zubehör

Es wird Herbst und dabei wird es wieder schneller dunkel. Weshalb werden so viele Velos ohne Licht verkauft? Welcher Autohersteller würde auf den Gedanken kommen, ein Fahrzeug ohne Fahrlicht zu konstruieren? Selbst bei schicken Sporträdern liessen sich locker Velolichter mit modernen LEDs schlank im Lenker oder der Sattelstütze integrieren. Sogar am Kindervelo ist das Velolicht nicht Pflicht, obwohl die Kleinsten wohl am meisten Freude an einem beleuchteten Velo hätten.

Die Veloglocke wird vom Strassenlärm längst übertönt. Eine zugelassene, elektrische Velohupe pfeift auf dem viergestrichenen C, was etwa der Tonhöhe einer SBB-Lockpfeife entspricht. Trotzdem erzielt dieser fixe Sinuston weder bei Fussgängern noch bei Motorfahrzeuglenkenden verlässliche Wirkung. Sinustöne sind wesentlich schlechter zu orten als beispielsweise ein Zischen oder Rauschen. Gut, in manchen Situationen wäre selbst das Horn eines Kreuzfahrtschiffes zu leise. Aber bevor wir Sie mit lauten Tönen aus dem Artikel vertreiben, radeln wir zum letzten Part unserer Reise.

Kleider für den Veloalltag

Einst trug man zum Velofahren einfach gute, unkaputtbare Cordhosen, Jeans oder sonst Kleider aus stabilen Stoffen. 2008 entwickelte ein täglich mit dem Velo pendelnder Designer kleidsame Bicycle Jeans für den Eigengebrauch. Heute findet man die Jeans aus Brooklyn online unter ähnlichem Namen der norwegischen Hauptstadt. Diese Jeans sind auf die Bedürfnisse von Velofahrenden geschneidert. Hier geht es nicht um die Verringerung des Luftwiderstandes, sondern um Komfort, Stil und Funktionalität. Die aufgenähte Smartphonetasche gehört ebenso zum Grundkonzept, wie der nach hinten hochgezogene Bund oder die eingenähten, zusätzlichen Stofflagen im Schrittbereich. Solche Konzepte sind jedoch die Ausnahme. Verbreitet sind hautenge Velobekleidung aus High-Tech-Materialien mit oft unaussprechlichen Namen.

Nach wie vor viel Luft nach oben gibt es bei Regenbekleidung. Die trockenen Ersatzkleider im Arbeitsspind werden vermutlich noch länger nicht abgelöst. Hält der weltweite Alltagsvelo-Boom jedoch an, werden funktionale Produkte für Velopendler nicht mehr weit sein. Nicht nur deshalb hoffen wir, dass Vorreiter-Städte wie Bern, Paris, Oslo, Wien, Barcelona oder London an ihren neuen Velo-Verkehrsstrategien festhalten.

Bleiben Sie gesund und entspannt. Egal, womit Sie unterwegs sind.

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