Lifestyle
Sven Rüf, 48, Digital-Designer – Singer/Songwriter aka Biggles

Manchmal spiele ich auf dem Velo in Gedanken Gitarre

Aufgezeichnet von Christian Nill

Meinen Künstlernamen Biggles habe ich vom gleichnamigen englischsprachigen Romanhelden. Das war eine Art Indana Jones der Lüfte, ein Pilot im zweiten Weltkrieg. Dank meiner walisischen Verwandtschaft habe ich eine grosse Affinität zum anglophonen Sprachraum. Und bei diesem wagemutigen Piloten gefiel mir, dass er Abenteuer erlebt und über das Chaos der Welt hinwegfliegt. So in etwa fühle ich mich, wenn ich auf dem Velo unterwegs bin. Da packe ich mein Zweirad frühmorgens, mache eine schöne Tour irgendwo durch den Kanton Zürich – und dann stellt sich diese wunderbare Distanz zur Welt ein. Das ist so ein schönes Gefühl.

Ich würde nie mit Kopfhörern Velo fahren. Ich möchte der Natur zuhören. Diese friedliche Geräuschkulisse, das Rauschen eines Baches, die Vögel, Kühe auf der Weide… Da komme ich in einen meditativen Zustand! Dann fahre ich quasi nur noch mit meinem Reptilienhirn.

Es kommt regelmässig vor, dass ich irgendwo lande und mich dann frage, wie um Himmels Willen ich da hingekommen bin. In solchen Momenten vergesse ich die Zeit komplett. Wenn ich nach so einer Tour am frühen Nachmittag wieder nach Hause ankomme, fühle ich mich befreit. Dann kann ich tun und lassen, was ich will und brauche kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich mich ausspannen möchte.

Manchmal fallen mir auf dem Velo auch neue Gitarrenriffs ein. Oder ich löse eine vermurkste Textpassage eines neuen Songs. Plötzlich gelingt dann während dem Fahren etwas, worüber ich zuvor stundenlang gebrütet hatte.

Was mit Stützrädern begann

Meine Leidenschaft fürs Velo entdeckte ich schon als kleiner Bub. Ein Vorbild war mein Vater, der regelmässig mit seinem Bruder mit dem Rennvelo Touren unternommen hatte oder an der Zürioberland-Rundfahrt teilnahm. Später vererbte er mir dann sein eher schweres Stahlrahmenvelo, mit dem man nur schwer einen Pass hochkommt.
Der Anfang war bei mir aber erst mal ein Theater. Es dauerte lange, bis ich selber Velo fahren konnte. Die Stützräder leisteten einen Bärendienst! Aber dann ging es richtig los. Ich wollte damals ein BMX-Velo. Das kam für meine Eltern aber nicht infrage. Also war mein erstes Zweirad ein Dreigänger, der so ähnlich aussah, wie ein BMX. Damit fuhr ich mit meinen Kollegen regelmässig in eine Kiesgrube in Uster. Das war zwar nicht erlaubt, aber wir machten es trotzdem. Wir liebten es, unsere Geschicklichkeit auf unseren Göppeln zu messen!

Als ich aufgrund meiner Ausbildung in die Stadt Zürich zog, war das Thema Fahrrad fürs Erste abgehakt. Erstens wurden meine Velos damals immer sofort geklaut. Zweitens bewege ich mich in der Stadt auch gerne zu Fuss. Irgendwann machte meine Partnerin jedoch den Vorschlag, auf dem Flohmarkt Occasionsvelos zu kaufen. Ich schuf mir ein sogenanntes Bonanza-Fahrrad an. Von da an unternahmen wir oft längere Touren: Klausenpass, Glarus, Wallensee, Furkapass, Wallis, Albulapass, Vallée de Joux…

Leicht, leichter, Karbon

Als wir in Spanien Veloferien machten, mieteten wir Karbonbikes. Dabei kamen wir auf den Geschmack. Zurück in Zürich, kaufte ich mir eins. Dafür habe ich viel Geld investiert. Aber das hat sich seither x-fach ausbezahlt! In der City fahre ich nie damit, nur schon aus Angst, dass es geklaut wird.

Aber wenn ich mit meinen Kumpels oder mit meiner Partnerin auf Tour gehe, dann liebe ich es, mich auf mein leichtes Bike zu schwingen und der Nase nach irgendwo hin zu fahren. Zum Beispiel zum Türlersee nach Sihlbrugg und von dort über den Hirzel zurück nach Zürich. Oder wenn wir meine Eltern besuchen, dann geht’s hoch nach Witikon, Fällanden, Pfäffikersee, Tösstal, Kyburg und schliesslich via Effretikon und Schwamendingen zurück. Es gibt so viele schöne Ecken im Kanton!

Eine gute Quelle für Tourenbeschreibungen findet man auf der Plattform «Quäldich.de». Es gibt wohl weltweit keinen Pass, der hier nicht beschrieben wäre. Der Name dieser Seite geht zurück auf eine Anekdote über Jan Ulrich. Als der Velorennfahrer bei einer Tour nicht mehr den Berg hochfahren mochte, habe ihm einer aus dem Servicewagen zugerufen: «Quäl dich, du Sau!»

Inzwischen habe ich eine ganze Reihe von guten Passtouren beisammen. Dabei achte ich auch darauf, wie viel Verkehr zu erwarten ist. Denn bei gewissen Touren fährt der Tod gewissermassen mit. Das ist nicht zu unterschätzen. Einmal fuhr ich mit einem Kollegen über den Gotthard. Als es Richtung Deutschschweiz runterging, fuhren wir durch eine dieser Galerien, an der Innenseite, direkt an der Betonwand. Ein Auto fuhr damals knapp fünf Zentimeter am Lenker meines Kollegen vorbei. Das war lebensgefährlich! Deshalb suche ich mir meine Touren heute auch nach dem Verkehrsaufkommen aus. Gewisse Pässe sind sonntags autofrei, wie zum Beispiel der Pragelpass. Auch der Albulapass hat sehr wenig Verkehr. Hauptsache, die Distanz zur Welt ist genügend gross!

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