Lifestyle
Susan Schefer, 54, Unternehmerin & Bike-Guide

Du bist erst oben, wenn du oben bist.

Aufgezeichnet von Christian Nill

Ich habe mich immer schon gerne bewegt. Aber meine Veloleidenschaft begann dennoch relativ spät. Da war ich um die 30 Jahre alt. Damals lernte ich meinen Mann Daniel kennen. Er war Velorennfahrer, wie auch schon sein Vater. Damals ging ich mit Daniel mit auf eine Velotour – und die Leidenschaft hat mich gepackt! Ich merkte, dass ich schnell besser wurde und wie sich meine Kondition steigerte.

Aber vor allem gefällt mir bis heute, dass man dank dem Velo etwas gemeinsam unternehmen kann. Man ist zusammen an der frischen Luft, kann den Kopf lüften. … Das ist es, was mich am Velofahren begeistert!

Velofahren verbindet

Meine unterschiedlichen Velos kommen bei mir mehrmals pro Woche zum Einsatz. Wir haben eine eigene Firma, mit der wir Fahrtechnik-Schulungen und Bike-Touren anbieten. Das Geschäft liegt im nächsten Dorf. Da fahre ich immer mit meinem e-Bike hin. Das hat den Vorteil, dass es etwas schneller geht und das Bike sehr gut beleuchtet ist. Mit dem e-Bike mache ich auch Einkäufe für den Haushalt. Dank den grossen Satteltaschen ist das sehr praktisch. Zudem muss ich nie einen Parkplatz suchen. Oder ich fahre in die Stadt, um Kolleginnen zu besuchen. 

Gerne drehen mein Mann und ich nach Feierabend hin und wieder eine Velorunde. Da spulen wir gut und gerne schnell mal 60 Kilometer ab. Entweder mit dem Rennrad, dem Mountainbike (MTB) oder, wenn wir vom Arbeiten müde sind, auch mal mit dem Elektrovelo. Hauptsache, wir kommen nochmal raus und können gemeinsam den Tag auf dem Velo ausklingen lassen. Velofahren verbindet einfach in einer Partnerschaft.

Mentales Training inklusive Paartherapie

Ich habe tatsächlich viel gelernt, seit ich regelmässig auf einem Fahrrad unterwegs bin. So ein Velo kann einen auch mental herausfordern – und weiterbringen. Ich hatte eine Phase, in der ich jeweils noch vor dem Berg innerlich abhängte. Sprich: ich war schon vor dem Ziel gedanklich im Ziel; sobald ich wusste, dass ich es bald geschafft habe, liess mein Schwung nach. Das merkte Daniel natürlich. Es ist für den Velopartner alles andere als toll, wenn er noch am Ziehen ist, und der andere hinter ihm nicht mehr mitmacht. Wir hatten dann die eine oder andere Diskussion und schauten es – fast wie in einer Paartherapie – genauer an. Mir wurde klar: Ich musste mein Mindset ändern, den inneren Schweinehund überwinden und die eigenen Gedanken umpolen! Seither klappt es. Man ist erst oben, wenn man oben ist.

leer

Selbst ist die Frau

Solche gemeinsamen Ausflüge, ob als Ehepaar, mit Familie oder mit Bekannten, können die Art und Weise der Beziehung positiv beeinflussen. Das Gemeinschaftliche wird gestärkt.  Und auch etwas Anderes hat mich das Velofahren gelehrt: Ich bin für mein Bike oder Rennrad selbst verantwortlich! Ein Schlüsselerlebnis war, als die Klickpedale an meinem e-Bike gewechselt werden mussten. Mein Mann kann sehr gut mechen und ist normalerweise für den Unterhalt der Velos zuständig, während ich mich um den Haushalt kümmere.

leer

Wir unternahmen eine Tour, und ich sagte ihm noch, er solle das Werkzeug für Feinjustierungen mitnehmen. Ich mag eine lose Einstellung, damit ich mich schnell ausklicken kann. Sie war allerdings noch zu eng. Das realisierte ich leider erst, als ich in einer Kurve nicht mehr rechtzeitig aus den Pedalen kam und hinfiel. Natürlich war ich zuerst wütend. Aber danach wurde mir bewusst, dass ich unterwegs selber zuständig bin für mein Bike. Ich muss mein Werkzeug selber mit dabei haben oder dafür besorgt sein, dass mein e-Bike aufgeladen ist. Selbst ist die Frau!

Joan Collins

Auch Daniel hat eine Lernkurve hinter sich. Ich nehme immer mein eigenes Futter für unterwegs mit. Er hingegen findet, das brauche er nicht. Natürlich merke ich es sofort, wenn er Hunger hat. Er wird dann dann einsilbig und gibt komische Antworten. In etwa so, wie in dieser Werbung mit Denver-Clan-Star Joan Collins, in der ein hungriger Protagonist zur Diva, also zu Joan Collins mutiert, bis er einen Schokoriegel gegessen hat; danach ist er wieder sich selbst.

leer

In solchen Fällen musste ich dann Daniel sehr deutlich auffordern, etwas zu essen. Das wurde inzwischen zu unserem beflügelten Wort: «Und jetzt issisch de Riegel!» Das befolgt er dann glücklicherweise. So jemand Hässigen neben dir kannst du nicht brauchen.

Für Körper und Geist

Ich bin überzeugt, dass Velofahren auf verschiedenen Ebenen einen positiven Einfluss auf uns hat. Wenn Kinder beispielsweise schon früh mit dem Bike in Pumptracks herumkurven, dann ist das gut fürs Gedächtnis. Das sind tolle Voraussetzungen für das Lernen. Bei Erwachsenen fördert das Biken nicht nur die körperliche Kondition, sondern auch den Geist durch mentales Training. Und es schärft die Sinne. Egal, ob ich mit dem Rennrad auf der Strasse oder mit dem MTB in der Pampa unterwegs bin: Ich muss immer Augen und Ohren offen halten und aufmerksam sein. Auf dem Renner teilst du die Strasse mit den Autos. Da muss man aufmerksam sein. Aber auch beim Biken im Wald muss man sehr präsent sein, damit man beispielsweise die Wurzeln im Weg frühzeitig erkennt. Das vermitteln wir auch in unserer Bike-Schule.

slider

Und eben, auch die Seele kommt nicht zu kurz. Ich bin sicher, dass das gemeinsame Unterwegssein mit der Familie, draussen in der Natur, sich positiv auf das Wohlbefinden auswirkt. Man motiviert sich gegenseitig. Mit unserer Familie, das heisst mit Daniel, unseren beiden erwachsenen Kindern und der baldigen Schwiegertochter, unternehmen wir ab und zu Velotouren. Wir lernen uns besser kennen, teilen gemeinsame Erlebnisse, sind abends gemeinsam müde. Dieses Miteinander verbindet, ob mit Familie oder Freunden – und es sorgt für gute Laune!

Weitere Geschichten