Wie ich die Freude am Velofahren wieder gefunden habe!
Die Geschichte hat einen dramatischen Anfang: ich liege mitten auf einer Kreuzung mit starken Schmerzen. Die Sanität kommt und Stunden später wache ich auf der Intensivstation auf. Ein Autofahrer hatte mir in einem Moment der Unaufmerksamkeit den Vortritt genommen und ist mir seitlich reingefahren. Eine Situation, vor der sich viele Zweiradfahrer fürchten und hoffen, dass sie nie eintrifft. Dieses Glück hatte ich jedoch nicht. Und das Erwachen auf der Intensivstation war ein böses. Mein linkes Bein hatte den Aufprall nicht überstanden und musste im Knie amputiert werden. Das war vor 10 Jahren und ich hatte die Nase erstmal gestrichen voll vom Zweiradfahren.
Aber das Leben geht zum Glück weiter und ich durfte mich, dank der Inspiration von meiner Partnerin und Freunden, mit dem Gedanken eines Wiedereinstiegs auseinandersetzen. Die Idee schlummerte schon länger in meinem Kopf: „Es wird Zeit, mich meinen Ängsten zu stellen und wieder aufs Fahrrad zu setzen!“ Nach all den Jahren der Rehabilitation und der Anpassung an mein neues Leben mit körperlichen Herausforderungen, war dieser Entschluss ein Wendepunkt. Gemeinsam mit zwei befreundeten Familien, die ihre kleinen Kinder dabei hatten, wollte ich die Freiheit im Jura-Gebiet wieder spüren.
Die schönen Wälder und die grünen Täler des Juras waren die perfekte Kulisse für dieses besondere Abenteuer. Mit den ersten Sonnenstrahlen in der klaren Luft stieg die Vorfreude. Die Gruppe von Bike-Liebhabern traf sich am Startpunkt, dem Campingplatz von Saignelégier, alle voller Energie und Motivation.
Mein eigenes E-Bike, ein stylischer Cruiser, begleitete mich auf dieser Reise. Ich hatte mich davor intensiv damit auseinandergesetzt, welches Velo für mich in Frage kommt und welche Geometrie meinen Bedürfnissen am besten entspricht. Entschieden habe ich mich für ein Bike, das nicht zu hoch ist und einen Sattel besitzt, der mir verschiedene Sitzpositionen erlaubt.
Ein Pirat im Sattel
Doch nun geht’s los! Mit jedem Tritt spürte ich den Wind im Gesicht und die Freude in meinem Herzen. Die ersten Kilometer waren eine Herausforderung. Nach 10 Jahren wieder im Sattel und das mit einer Beinprothese! Etwas Mut war gefordert. Mit der Verwegenheit des einbeinigen Piraten stürzte ich mich ins Abenteuer. Die Freude kam schnell. Auch dank der Natur des Juras, welche ihre ganze Pracht offenbarte und uns alle in ihren Bann zog.
Die Kinder in der Gruppe waren ebenfalls begeistert und voller Begeisterung. Sie lachten und liessen sich von ihren Eltern durch die wunderschöne Landschaft kutschieren. Vorbei an den freilaufenden Kühen und Pferden. Die Eltern, inspiriert von der Lebensfreude der Kleinen, fanden zusätzliche Energie, um die Anstiege zu meistern und gemeinsam den Genuss des Radfahrens zu erleben.
Die Familien in unserer Gruppe hatten die E-Bikes bei «La ForgeÔvélo» in Saignelégier gemietet. Diese neuwertigen E-Mountainbikes boten eine komfortable und praktische Möglichkeit, die Schönheit des Jura zu erkunden.
Wer fährt, muss auch essen
Nach ein paar Kilometern erreichten wir das rustikale Restaurant „Le Sapin“, bekannt für seine entspannte Atmosphäre und währschafte Küche. Dort gönnten wir uns eine wohlverdiente Pause. Schliesslich mussten ein paar hungrige Mäuler gestopft werden. Man sollte nie die Energie hungriger Kleinkinder auf solchen Touren unterschätzen. Also ab ins «Le Sapin» und alle waren wieder glücklich. Das «Le Sapin» liegt ganz nahe am Etang des Royes, einem wunderschönen, kleinen Waldsee. Man fühlt sich in Skandinavien oder Kanada. Der Etang des Royes ist der kleine Bruder des bekannteren Etang de la Gruère. Auf jeden Fall beides lohnenswerte Ziele.
Die sanfte Hügellandschaft rund um Saignelégier macht es grad für Familien mit kleinen Kindern, aber auch für mich, angenehm zu fahren. Keine steilen Anstiege oder anspruchsvolle Passagen. Sanfte Waldwege oder schmale, geteerte Strassen durch Wiesen- und Waldlandschaften. Wer es härter und anstrengender mag, kann die kurvenreiche Strecke nach Goumois zum Doubs hinunterbrausen und dann natürlich wieder hoch. Goumois existiert doppelt: eines auf der Schweizer und das andere auf der französischen Seite des Doubs. Verbunden sind sie mit einer kleinen Brücke. Beidseits gibt’s Restaurants und im französischen Goumois auch ein empfehlenswerter Comestibles-Laden mit ländlichen Köstlichkeiten. Am Doubs entlang ist es wunderschön zu fahren oder zu wandern. Der romantische Grenzfluss zu Frankreich lässt sich auch mit gemieteten Kanus bereisen. Eine tolle Abwechslung zu einer Velotour im Sommer und von Kindern heiss geliebt.
Bikes und Lagerfeuer
Diese Fahrt im Jura zeigte mir, dass das Velofahren nicht nur ein physischer Akt ist, sondern eine Reise, die die Seele berührt. Es geht um den Sieg über persönliche Grenzen und die Entdeckung der eigenen Stärke. Sie erinnerte daran, wie das Fahrradfahren Menschen verbindet, die Freude an der Natur teilen und gemeinsam neue Horizonte erkunden wollen.
Es bleibt zu hoffen, dass diese inspirierende Geschichte andere dazu ermutigt, ihre eigenen Herausforderungen zu meistern und das Leben in vollen Zügen zu geniessen, unabhängig von den Hindernissen, die sich ihnen in den Weg stellen.
Das gemeinsame Geniessen und das Fahren mit Freude standen im Vordergrund. Dazu gehörte auch eine wundervolle gemeinsame Zeit am Lagerfeuer auf dem Campingplatz von Jonas in Saignelégier. Diese Momente der Ruhe und der Geselligkeit machten das Abenteuer im Jura zu einem unvergesslichen Erlebnis.