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Seri Wada, 44, Pedalen-Bäcker

Mein Velo erinnert mich an ein Pan-Am-Flugzeug

Aufgezeichnet von Vanessa Sadecky

Seit zweieinhalb Jahren bin ich selbständiger Bäcker und konzentriere mich auf französische Spezialitäten. Für die Auslieferung der Backwaren fahre ich mit meinem Lastenvelo pro Tag etwa 30 Kilometer durch die Stadt Zürich.

Mein Job war besonders im letzten Jahr sehr anstrengend. Ich schlief damals bloss vier Stunden täglich. Das tat mir körperlich gar nicht gut. Wenn man vor allem mit Leuten mit normalem Tagesablauf Geschäfte macht, lebt man als Bäcker schnell ein doppeltes Leben – eines am Tag, eines Nachts. Ich versuche dies zu vermeiden, aber es gelingt mir nicht immer. Heute habe ich zum Beispiel vier Besprechungen. Manchmal ist es viel krasser, als zu meiner Zeit als Kundenberater bei der Bank.

Kein Arbeitstag ist gleich wie der Andere. Manchmal bereite ich für den nächsten Tag nur den Teig vor oder liefere nur aus. Jeden Samstag stehe ich morgens um 2 Uhr in der Backstube. Dann backen ein Freelancer und ich Croissants, Zöpfe, Baguettes und ganz neu Pain au Chocolat. Diese Brote liefere ich dann kurz nach sechs Uhr mit meinem Lastenvelo in der Stadt aus. Am Nachmittag gibt es noch eine zweite Tour. Die fährt in der Regel mein Freelancer mit einem gemieteten e-Bike.

Mein Lastenvelo ist extra klein und kompakt gebaut. Es ist gleichzeitig mein Alltagsvelo – ein sehr schnittiges Modell. Einen Kompromiss musste ich beim Lenker eingehen, den man nicht ganz herunterschrauben kann. Ich fahre lieber mit tiefem Lenker, das ist sportlicher. Mein Velo ist quasi die Rennvelo-Ausgabe eines Lastenvelos: Die Reifen sind schmal und das Schutzblech filigran. Es gibt viel blankes Aluminium daran, das mag ich besonders! Der Look erinnert mich an ein altes Pan-Am-Flugzeug.

Mit dem Auto wäre ich zu langsam

In Zürich Velo zu fahren ist super praktisch. Der Nachteil an meinem Lastenvelo ist, dass die Ladefläche nicht allzu gross ist. Aber wenn ich mit einem Auto ausliefern würde, wäre ich zu langsam. Ich könnte nicht so direkte Wege fahren, wie mit dem Velo.

Manchmal miete ich mir am Samstag auch ein e-Bike, damit ich etwas schneller fertig bin. So kann ich mit 25 statt 12 Stundenkilometer zum Dolder hoch düsen und etwas früher ins Wochenende.

Meine Arbeit ist mehr oder weniger eine One-Man-Show. Wenn ich sage: Ab morgen mache ich mein Croissant-Rezept so und so, muss ich mit niemandem darüber diskutieren, ich kann es einfach tun. Das hat den Vorteil, dass ich bei Trends super schnell bin. Oft bleibt alles an mir hängen. Dann muss ich mich bremsen, damit ich nicht zu viel von mir verlange. Ich hatte schon immer einen gewissen Ehrgeiz, aber der Antrieb fehlte mir früher dennoch. Seit ich selbständig bin, habe ich den Drive gefunden. Er kommt von alleine, weil ich das mache, was ich wirklich mag.

Es fühlt sich speziell an, dass mich manche Leute behandeln, als sei ich eine Berühmtheit. Manchmal fotografieren mich Touristen oder Fussgänger, wollen ein Selfie mit mir und dem Lastenvelo. Das Verrückteste erlebte ich an der Sihlporte, als ich vor einer roten Ampel wartete. Ein Auto hielt vor mir an, der Fahrer stieg aus und kam auf mich zu. Er erzählte, er sei ein grosser Fan von mir und ob ich nicht zufällig ein Baguette für ihn hätte? Ich kramte ihm eines hervor und bekam dafür zehn statt fünf Franken. Er wollte noch plaudern, aber die Ampel war bereits wieder grün und ich musste weiter. Das ist halt so mit Promis.

Grössten Respekt habe ich vor platten Reifen. Es geschieht nicht häufig, dafür häufig im dümmsten Moment. Auch schon morgens um 2 Uhr auf den Weg in die Backstube. Am besten passen da noch Schnee dazu und ein leerer Handy-Akku. Da bin ich schnell mal eine halbe Stunde zu spät, da ich meinen Pan-Am-Flieger durch den Schnee schieben muss.

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