Das Velo war das Tor zu den Freunden
In meiner Kindheit wohnten wir ziemlich abgeschieden auf dem Land, wodurch wir eher kleinräumig unterwegs waren. Das Velo war ein erster Schritt in die persönliche Freiheit – es war das Tor zu Freunden und zur restlichen Welt. Damals kaufte man das Velo noch beim Velohändler im Dorf. Ich erinnere mich noch gut an mein Cresta.
Wir wohnten auf einem Hügel, und die Schule lag auf dem nächsten. So hatte ich jeden Tag 16 Kilometer Schulweg mit einigen Höhenmetern zu bewältigen – das war schon sehr anstrengend. Es war nicht verwunderlich, dass ich mich sehr darauf freute, mir endlich ein Töffli kaufen zu können. Es war ein besonders Schönes, und ich war sehr stolz darauf. Leider fand die Freude ein jähes Ende, da mir dieses Moped bald gestohlen wurde. Daraufhin fuhr ich wieder mit dem Velo.
Gedankenfabrik Velo
In den Jugendjahren begann ich, mit Freunden Velotouren zu machen. Fast schon traditionell fuhren wir einmal im Jahr um den Bodensee. Das sind tolle Erinnerungen – die Bilder habe ich noch immer im Kopf. Auf den Touren hatten wir spannende Begegnungen mit besonderen Menschen. Einmal fuhren wir sogar mit den Velos in einem grossen Brunnen herum. Wir hatten viel Spass und manchmal auch Flausen im Kopf.
Das Velo ist für mich das emotionalste Verkehrsmittel. Ich liebe es, am Morgen über die Felder zu fahren und so den Tag zu begrüßen. Beim Velofahren habe ich viel Zeit zum Nachdenken und Reflektieren. Dinge, die mich beschäftigen, kann ich so gut durchdenken, und oft fallen mir dabei gute Lösungen ein, auch schon öfters fürs Geschäft. Das Velofahren gibt mir einfach unglaublich viel.
Wiederentdeckung des Velos und Faszination Gravelbike
Am Velofahren schätze ich besonders, die Natur so hautnah zu erleben, dabei Zeit nur für mich zu haben und die Gedanken schweifen zu lassen. Ausserdem verbinde ich das Velofahren gerne mit Kulinarik. Ich mag es sehr, in einem schönen Restaurant einzukehren und etwas Gutes zu essen – das ist Genuss pur!
Das Velofahren hat seit acht Jahren wieder einen festen Platz in meinem Alltag. Zuvor war mein Arbeitsweg einfach zu lang, um diesen mit dem Velo zu bewältigen. Ich war deshalb einige Jahre vor allem mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs und hatte lediglich ein „Bahnhofvelo“. Doch nachdem ich meinen Arbeitsort von Bern nach Zürich zurückverlegte, stand dem Velo nichts mehr im Weg. 2018 habe ich mir mein erstes Gravelbike gekauft. Seither bin ich einfach begeistert von der Vielseitigkeit dieser Bikes. Heute fahre ich wieder mindestens einmal die Woche damit zur Arbeit.
Es ist auch eine Form von Nachhaltigkeit, wenn man seinen Kindern vorlebt, so oft wie möglich das Velo zu nutzen.
Neue Wege und nachhaltige Familienausflüge
Ein bis zweimal im Monat mache ich, wenn möglich, eine längere Velotour. Dabei bin ich ziemlich sportlich unterwegs und lege gerne grössere Distanzen zurück, zum Beispiel fahre ich nach Bern oder Basel. Es fasziniert mich, wie man mit reiner Muskelkraft solche Distanzen überwinden kann. Wann immer ich einen freien Tag habe, plane ich eine Velotour ein. Daher kenne ich die Schweiz relativ gut, bin aber jedes Mal überrascht, dass ich immer noch Neues entdecke. Ausserdem gefällt es mir, mit der Komoot-App unterwegs zu sein. Diese schlägt mir immer neue Wege vor, wodurch ich ständig mir noch unbekannte Gegenden und Routen entdecke – das finde ich spannend und bereichernd.
Auch dank meiner Familie ist das Velofahren wieder stärker in meinen Fokus gerückt. Als wir Kinder bekamen, haben wir sonntags oft kleine Velotouren mit dem Veloanhänger unternommen. Das waren immer tolle Familienmomente, an die ich mich gerne zurückerinnere. Ich finde es auch eine Form von Nachhaltigkeit, seinen Kindern vorzuleben, so oft wie möglich das Velo zu nutzen und es in den Alltag und die Freizeitgestaltung zu integrieren. Einer meiner Söhne ist heute ein begeisterter Biker!
Ich muss gestehen, dass ich mittlerweile sogar Besitzer von zwei Gravelbikes bin. Das zweite Velo habe ich aus reiner Emotionalität gekauft, weil ich es einfach so schön fand. Ich habe mich geradezu in dieses Velo verliebt. Wäre der Platz vorhanden, hätte ich vermutlich noch mehr Velos.
Beruflicher Stellenwert von Nachhaltigkeit
Beruflich führe ich Areale und Einkaufszentren bei Wincasa. Längere Zeit leitete ich das Zentrum Regensdorf. Ich versuche im Berufsleben, zum Beispiel bei Sanierungen, Inputs in puncto Infrastruktur zu geben und dabei die Bedürfnisse der Mieter, Eigentümer und Nutzer zu berücksichtigen.
Ein Beispiel: Als ich noch das Zentrum in Regensdorf leitete, haben wir eine Erhebung gemacht, mit welchen Verkehrsmitteln unsere Besucher zum Einkaufen kommen. Das Ergebnis hat uns verblüfft. Wir dachten, die Mehrheit der Kundinnen und Kunden käme mit dem Auto – doch weit gefehlt. Gut die Hälfte kam zu Fuss oder mit dem Velo. Das hatten wir unterschätzt und wollten dem in Zukunft Rechnung tragen.
Wir sorgten für gute Fußwege, Ladestationen für E-Bikes und sichere Veloparkmöglichkeiten. Sogar eine kleine Werkzeugecke möchten wir einrichten, damit man kleinere Reparaturen oder einen Reifenwechsel selbst durchführen kann. Zudem organisieren wir einmal pro Jahr ein Velofest, um den Besucherinnen und Besuchern zu zeigen, dass wir am Ball bleiben und die Infrastruktur stetig verbessern.
Bei unseren Immobilien versuchen wir auch, Angebote für Eigentümer und Mieter zu schaffen, die es ermöglichen, das eigene Auto nicht zu vermissen. Zum Beispiel durch elektrisch betriebene Fahrzeuge, die man bei Bedarf mieten kann.
Veloinfrastruktur Schweiz versus Ausland
Bisher empfand ich die Schweizer Veloinfrastruktur immer als gut und fortschrittlich, bis ich im Ausland gesehen habe, wie viel besser sie sein könnte. Neulich war ich in Kopenhagen und tief beeindruckt von dem lückenlosen Velonetz. Das zieht sich durch die ganze Stadt. Die Kopenhagener haben den motorisierten Verkehr und den Veloverkehr entflechtet. Natürlich darf man dabei nicht ausser Acht lassen, dass dort der Platz für eine solche Entflechtung vorhanden ist. In der Stadt Zürich sind die Platzverhältnisse einfach begrenzter – das ist eine Tatsache.
Trotzdem fände ich es aus Sicht der Nachhaltigkeit und Ökologie sinnvoll und erstrebenswert, wenn sich das Velo und die E-Bikes noch stärker etablieren und verbreiten würden und es vermehrt Velobahnen oder grosse, separate Velowege gäbe. Mit dem E-Bike hat man plötzlich eine neue Nähe geschaffen und Distanzen verkleinert. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass das Einzugsgebiet von Mitarbeitenden durch E-Bikes deutlich vergrössert wird. Das ist eine spannende und erfreuliche Entwicklung, auch für die Unternehmen.
Es wird sich wohl nicht von heute auf morgen eine extreme Dynamik in Bezug auf die Veloinfrastruktur entwickeln, aber das E-Bike und das Velo werden sich, meiner Meinung nach, besonders in urbanen Gebieten stark weiter verbreiten. In ländlichen Gegenden wohl eher weniger. In städtischen Einzugsgebieten leben viele ökologiebewusste Menschen und die täglichen Bedürfnisse lassen sich in der Stadt einfach auch ohne Auto erledigen.
Perspektivenwechsel
Jedenfalls versuche ich im Kleinen meinen Beitrag zu leisten, indem ich eher regional Urlaub mache, möglichst auf Flugreisen verzichte und einfach bewusster lebe.
Manchmal tut übrigens ein Perspektivenwechsel gut: Wenn ich mit dem Velo unterwegs bin, fällt mir immer auf, wie in fast jedem Auto nur eine einzige Person sitzt. Das finde ich seltsam und stimmt mich nachdenklich.
Die Wiederentdeckung des Velos war für mich ein Glücksfall. Ich geniesse es, Land, Leute und neue Gegenden damit zu entdecken. Manchmal ist es auch nur ein hübsches Haus, eine schöne Ecke, eine Kirche oder die Landschaft selbst, die mich fesselt.