Die Herzroute und ihre zusätzlichen Rundstrecken (Schlaufen) sind perfekt ausgeschilderte Radwanderrouten. Sie führen auf ausgesuchten, verkehrsarmen Wegen durch touristisch wertvolle Regionen. Die «Route 99» führt in 13 Etappen von Ost nach West – von Romanshorn bis Lausanne. Der Name Herzroute rührt daher, dass die allererste Etappe im Herzen der Schweiz geschaffen wurde. Die Nummer 99 erkämpfte sich der Gründer Paul Hasler für seine Herzroute in Anlehnung an die legendäre «Route 66» in den USA. Heute wird die Herzroute von vielen Freiwilligen, wie Peter Kunz, kontrolliert und gewartet.
Wenn man mich nach meiner Lieblingsetappe fragt, dann antworte ich stets, dass ich 13 Lieblingsetappen habe. Das sind genauso viele, wie die Herzroute insgesamt hat, allerdings kommen da noch ein paar «Schlaufen» dazu. Wenn ich dann doch eine herauspicken müsste, wäre es wohl die von Lausanne nach Romont oder die Etappe durch das Appenzellerland.
Ich bin nun seit 12 Jahren Routenkontrolleur auf der Herzroute, mittlerweile sogar Präsident des Vereins «Freunde der Herzroute». Ich wohne in der Region Thun und als ich pensioniert wurde, habe ich mit ein paar velobegeisterten Kollegen einige Velorouten im Westen von Thun ins Leben gerufen und dann eine Zeit lang geführte E-Bike-Touren angeboten. So kam ich auf Umwegen zur Herzroute.
Diese Arbeit ist ideal für mich, ich kann mein Hobby pflegen und es gleich noch mit einer sinnvollen Tätigkeit verbinden. Und das erst noch an der frischen Luft bei meist schönem Wetter. Dabei werde ich mit wunderbaren Panoramen und Landschaften belohnt.
Später dran wegen Lockdown
Wir Routenkontrolleure sind einer Etappe zugeteilt, meine führt von Laupen nach Romont und ist ungefähr 63 km lang. Meine Kolleginnen und Kollegen und ich sind dafür verantwortlich, dass die Etappen in tadellosem Zustand sind, dafür kontrollieren wir die Routen zwei Mal pro Jahr, einmal im Frühling und einmal im Spätsommer. In diesem Jahr sind wir allerdings wegen des Corona-Lockdowns etwas später dran als sonst. Ich besitze einen eigenes Flyer-Elektrovelo, viele meiner Kollegen aber nicht. Die mieten jeweils ein e-Bike für ihre Kontrollfahrten und da die ersten Vermietungsstationen erst kürzlich wieder ihren Betrieb aufgenommen haben, konnten einige meiner Kollegen erst jetzt mit ihren Etappenkontrollen beginnen. Normalerweise startet die Herzroute-Saison am 1. April und endet am 31. Oktober.
Qualitätssicherung dank Schweizer Sackmesser
Auf unseren Kontrollfahrten schauen wir, dass alle Schilder sauber sind und in die richtige Richtung zeigen. Manchmal gibt es Lausbuben, die es lustig finden, die Richtungspfeile in die falsche Richtung zu drehen. Oft müssen wir Aufkleber entfernen, die das Schild verdecken. Vor allem in urbanen Gegenden ist das ein Problem, wenn zum Beispiel am Samstag ein Event oder ein Fussballspiel stattgefunden hat, sind am Sonntag viele der Schilder mit Aufklebern zugepflastert – leider. Aber mit einem Schweizer Sackmesser, guten Fingernägeln und einem feuchten Lappen haben wir das meist schnell wieder behoben.
Auf dem Land kann es auch mal vorkommen, dass ein Bauer bei einem Wendemanöver in eines der Standrohre fährt, an dem die Schilder und Pfeile befestigt sind. Diese müssen wir dann wieder in die richtige Richtung drehen. Grössere Schäden melden wir für die Reparatur dem Kanton oder der Gemeinde, diese unterstützen uns bei den Instandstellungen. Genauso melden wir es, wenn wir einen Mangel an einer Strasse oder einem Weg entdecken. Häufig greifen wir auch zur Heckenschere und schneiden Sträucher zurück, die sonst die Schilder verbergen würden. Man könnte unsere Aufgabe unter dem Begriff «Qualitätssicherung der Routen» zusammenfassen, das machen wir gerne für unsere Kunden. Bei der Ausschilderung einer neuen Schlaufe sind wir meist schon im März unterwegs, weil diese Anfang April bereits eingeweiht werden, manchmal liegt dann sogar noch Schnee, dann ist es etwas ungemütlich.
Manchmal reicht das Geld für einen Blumenstrauss
Sicherheit ist unser oberstes Ziel: Ich bin froh, dass es Organisationen gibt, die Kurse für sicheres E-Bike fahren anbieten. Die Vermietungsstationen erklären den Kunden wie ein Elektrovelo bedient wird und nicht wie man damit sicher und richtig fährt.
Die Mehrheit unserer Elektrovelo-Kunden sind zwischen 40 und 80 Jahre alt. Natürlich hat es auch Familien mit Kindern, die unsere Routen befahren, diese sind allerdings meist mit normalen Velos unterwegs. In der Schweiz darf man erst ab 14 Jahren ein Elektrovelo fahren, sofern man im Besitz eines Mofa-Ausweises ist.
Entlang der Routen gibt es viele schöne, kleine Gasthöfe, die die hungrigen und durstigen Velofahrer bewirten und bei denen man die Akkus aufladen kann. Mit den Jahren sind hier innovative Konzepte entstanden, worüber wir immer wieder staunen und uns über das grosse Engagement freuen. Seit diesem Jahr ist die neue Mietflotte allerdings mit starken Akkus ausgerüstet. Damit kann in der Regel eine ganze Etappe bewältigt werden.
Wir Freunde der Herzroute sind selbständig organisiert und nicht angestellt von der Herzroute selbst. Wir verstehen uns als freiwillige Helfer, die keinen Lohn brauchen oder wollen. Für unsere Zeit, die wir für unser spezielles Hobby aufwenden, erhalten wir lediglich eine Entschädigung. Sie ermöglicht es uns, das Bahnticket zu bezahlen und uns auf unseren Kontroll-Touren zu verpflegen. Manchmal reicht das Geld sogar noch für einen Blumenstrauss, den bring ich dann meiner Frau mit nach Hause. Wir Freunde der Herzroute finanzieren uns grundsätzlich selbst und werden durch Gönnerbeiträge von Privatpersonen unterstützt.
Noch mehr Landschaften erschliessen
Ich bin ein Vielfahrer und lege pro Jahr, inklusive Velo-Ferien, bis zu 3’500 Velokilometer zurück. Schon mehrfach habe ich das gesamte Herzroutennetz abgefahren. Nebst meinem Elektrovelo besitze ich noch ein Tourenvelo und ein Mountainbike. Und ich lasse es mir nicht nehmen, trotz meinen 78 Jahren ab und zu noch eine Mountainbike-Tour zu unternehmen. Die meiste Zeit sitze ich aber auf dem Sattel meines Velos mit Tretunterstützung. Dieses Transportmittel ermöglicht es mir, wunderschöne, teils hügelige Routen zu befahren, die für mich mittlerweile wohl zu anstrengend wären.
Wenn ich einen Wunsch frei hätte an die Herzroute, dann wäre es folgender: Ich fände es grossartig, wenn noch die eine oder andere Schlaufe realisiert werden könnte. Damit würde man noch mehr Landschaften erschliessen, die touristisch noch nicht so bekannt sind.
Besonders freuen mich auch immer wieder die vielen positiven Rückmeldungen unserer Routen-Nutzer. Einmal berichtete uns ein junges Paar, dass es seine Hochzeitsreise, auf der Herzroute verbracht hätte. Sie fuhren von Romanshorn nach Ouchy bei Lausanne und schwärmten davon, wie schön es gewesen sei. Solche Meldungen sind einfach motivierend und geben uns Ansporn für unsere Arbeit.