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Leyla Ciragan, 41, e-Bike-Pendlerin, Germanistin

Käme eine gute Fee vorbei, wünschte ich mir ein durchgängiges, sichereres Velonetz von ihr.

Aufgezeichnet von Vanessa Sadecky

Vor sieben Jahren zog ich mit meiner Frau nach Dietikon. Vorher wohnte ich in der Stadt Zürich und fuhr meinen Arbeitsweg zur Universität mit meinem Velo. Als wir die Stadt verliessen, pendelte ich zwei Jahre mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Für mich war das schrecklich. Fast eine Stunde in der S-Bahn und im Tram zu sitzen, mit fast immer den gleichen Leuten im Abteil. Man kennt sie, aber bleibt ihnen fremd. Man weiss von all ihren Macken, wie sie die Zeitung umblättern, was für Bücher sie lesen, wer sich wie schminkt. Im Winter ist es dann feucht und alle husten dich an. Das hat mich deprimiert.

Die Suche nach neuen Möglichkeiten

Wie früher einfach mit dem Velo zur Arbeit zu fahren, kam für mich nicht in Frage. Bei längeren Strecken wäre das Problem, dass man verschwitzt ankommt. Also liess ich mich in einem Velogeschäft um die Ecke beraten. Nach einer Probefahrt entschied ich mich für ein schnelles e-Bike, was bis zu 45 Kilometer pro Stunde unterstützt. Dazu kaufte ich mir eine Ausrüstung, womit ich bei praktisch jedem Wetter zur Arbeit fahren kann. Mit Gamaschen und Regenschutz komme ich trocken ins Büro, selbst wenn es einmal richtig giesst. Ein weiterer Pluspunkt: Wenn ich vom Sattel steige, habe ich meistens rote Backen.

Gewiss kostet ein e-Bike am Anfang einige Franken. Andererseits rechnen sich die 7‘000 Franken für das e-Bike bereits in zwei, drei Jahren. Man darf zwar bei der Rechnung die Kosten für den e-Bike Service nicht vergessen. Ich lasse es ein bis zwei Mal im Jahr durchchecken. Das mache ich gerne, denn überspitzt gesagt, hängt mein Leben davon ab. Was ich aber selber machen kann, mache ich selber: Fetten, putzen, die Bremsen richten und Pneus wechseln. Solche Dinge zu lernen und anzuwenden macht mir einfach Spass.

Das e-Velo bringt bestechende Vorteile

Seit ich mit dem e-Bike zur Arbeit fahre, bin ich zufriedener geworden. Ich mag die frische Luft und obwohl ich es nicht unbedingt erwartet habe, hat sich meine Ausdauer verbessert. Ich geniesse es morgens ganz besonders, eine halbe Stunde alleine zu sein und meinen Gedanken nachzuhängen. Das gibt mir ein Gefühl von Freiheit.

Wenn man die CO2-Bilanz anschaut, liegt das e-Bike weit unter dem Verbrauch des öffentlichen Verkehrs. Ich habe gar kein ÖV-Abo mehr, weil ich alles im Umkreis von 20 bis 30 Kilometer mit dem e-Bike erledige. Dafür nutze ich zum Beispiel ein Einkaufsanhänger und verschiedene Lade- und Bindetechniken. So braucht man auch nicht extra ein Lastenvelo.

Ich habe kein ÖV-Abo mehr.

Als Nachteil empfinde ich, dass sich Autofahrer noch nicht daran gewöhnt haben, dass schnelle e-Bikes unterwegs sind. Das wird gefährlich, wenn sie denken: Ah, da kommt bloss ein Velo – das reicht noch lange für vorne vorbei fahren. Aber darüber darf man sich nicht aufregen. Man muss vorausschauen lernen, um in kritischen Momenten richtig zu reagieren.

Leyla Ciragan und ihr Speed-Pedelec

Schon als Kind fuhr ich gerne Velo. Als ich noch in der Stadt Zürich wohnte, bin ich sogar ein paarmal per Velo umgezogen. Mittlerweile habe ich drei Velos zuhause: Mein Pendler-e-Bike, ein e-Mountainbike und noch ein Street-Trial-Bike für Kunststücke. Das e-Mountainbike habe ich, da es mir keinen Spass macht, mich einen Berg hoch zu kämpfen. Ich bevorzuge es, relativ gemütlich an der Spitze anzukommen und dann eine lässige Abfahrt zu haben.

Mit meinen Bikes erfüllte ich mir erst mal all meine materiellen Velo-Träume. Käme eine gute Fee vorbei, würde ich mir ein durchgängiges, sichereres Velonetz von ihr wünschen und dass die Velowege bei Schnee besser und schneller geräumt werden. Dass dies möglich wäre, sehe ich in Schlieren. Wenn das Realität werden würde, könnte ich wirklich bei jedem Wetter mit dem Velo pendeln.

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