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Jürg Senn, 46, Bankangestellter

Für mich bedeutet Velofahren Spass und pure Leidenschaft.

Aufgezeichnet von Cornelia Schlatter

Velofahren ist für mich eine der facettenreichsten Sportarten überhaupt. Ich geniesse es, in der Natur zu sein, der gesellige Aspekt, mit Freunden zusammen eine Bike- oder Rennvelotour zu machen und natürlich auch den sportlichen Reiz. Ich messe mich auch gerne mal in Wettkämpfen und schaue, wo meine Grenzen liegen. Für mich bedeutet Velofahren Spass und pure Leidenschaft. Schon immer war ich ein Bewegungsmensch und seit ich das Velo für mich entdeckt habe, bin ich kaum zu bremsen. 

Mit dem Velo zur Arbeit

Meinen 30 km langen Arbeitsweg bewältige ich in rund einer Stunde. Das Velo ist dafür zwar bloss Mittel zum Zweck und doch ist es viel mehr als das. Vom aargauischen Mellingen fahre ich nach Zürich, mitten in die City, wo ich im Finanzsektor tätig bin. Dabei nehme ich es gerne in Kauf, bereits um 06.15 Uhr loszufahren: Ich habe einen grossen Drang nach Selbstbestimmung. Genau das bietet mir das Velo als Transportmittel. Ich bestimme wann ich losfahre und welche Route ich nehme. Und wenn ich nach einem langen, manchmal anstrengenden Arbeitstag nach Hause fahre, lasse ich die Arbeit hinter mir und zwar im wörtlichen Sinne. Ich schaffe mit jedem Tritt in die Pedale mehr Distanz zwischen meiner Arbeit und meinem Privatleben. Dieses Abschalten können, bedeutet mir enorm viel. Ich kann nirgends meine Gedanken besser ordnen, als beim Velo fahren.

Halt auf der Münsterbrücke mit Blick auf das Limmatquai

Ich bin zwar ein klassischer Schönwetter-Fahrer, pedale aber das ganze Jahr nach Zürich und zurück in den Aargau. Vielleicht klingt es etwas platt und kitschig, doch ich kann jeder Jahreszeit etwas Schönes, Einzigartiges abgewinnen: Es gefällt mir, am Morgen früh die Dörfer und Städte erwachen zu sehen, besonders jetzt im Herbst, wo manchmal im Reusstal alles nebelverhangen ist und das Sonnenlicht auf einmal durch den Nebelschleier bricht. Das ist einfach atemberaubend. Auf meiner Route über den Heitersberg überrascht mich auch schon mal ein Reh, das meinen Weg kreuzt. Doch richtig gefährlich und herausfordernd wird es erst im Stadtverkehr.

Herausforderungen

Manchmal fordert die schlechte Beschaffenheit des äusseren Fahrbahnrandes heraus, wo es plötzlich Radstreifen fehlen. Manchen Schachtdeckeln sind in Fahrtrichtung ausgerichtet, so dass man mit dem Pneu des Rennvelos stecken bleibt. Vor allem sind es aber unachtsame motorisierte Verkehrsteilnehmer, die viel zu nah vorbeifahren. Als Velofahrer ist man halt einfach bei den schwächsten Teilnehmern im Strassenverkehr.

Das musste ich schon zweimal schmerzlich erfahren, als ich verunfallte: Einmal öffnete ein Beifahrer einfach die Tür, als ich gerade vorbeifahren wollte. Das zweite Mal wurde ich von einem unvorsichtigen Autofahrer auf dem Radweg buchstäblich aufgeladen. Davon gekommen bin ich jeweils einigermassen glimpflich: Schürfungen, Prellungen, Totalschaden am Velo, lediglich einmal dann doch ein Schlüsselbeinbruch. Jedes Mal hat es mich wieder Überwindung gekostet, das Vertrauen in die anderen Verkehrsteilnehmer zurückzugewinnen. Die Passion fürs Velofahren war jeweils stärker als meine Bedenken. Ich wünschte mir sehr, dass der motorisierte Verkehr und die Velofahrer in der Stadt Zürich besser entflechtet würden, wie das in einigen Städten in Nordeuropa schon Gang und Gäbe ist. Nur schon mehr markierte Radwege würden helfen.

Der Adrenalinkick und die Glücksgefühle bei der Zieleinfahrt sind einfach unbeschreiblich.

Das Velofahren ist für mich Ferien, Freizeit, Transport und Sport zugleich. Ich gehe gerne mal ans Limit, mache neue Erfahrungen, auch Grenzerfahrungen. Dieses Jahr fuhr ich zum Beispiel die «Tour Transalp» und die Sprintetappe an der «Tortour». Die Tour Transalp ging innert sieben Tagen 800 Kilometer über 19 Pässe. Sie führte von Innsbruck nach Riva del Garda. Am Tortour Nonstop-Radrennen über 400 Kilometer verbrachte ich 13 Stunden im Sattel und schaffte den sechsten Rang – das macht mich schon stolz. Der Adrenalinkick und die Glücksgefühle bei der Zieleinfahrt sind einfach unbeschreiblich. Das Grossartige dabei ist jedoch, dass mich meine Frau, die Familie und meine Freunden so unterstützen. Auch sonst bin ich in der Freizeit sehr aktiv. Da meine Frau ebenfalls passionierte Velofahrerin ist, geniessen wir es sehr, gemeinsam auszufahren oder uns in Wettkämpfen zu messen. Dabei spornen wir uns gegenseitig an.

Dass es mir überhaupt möglich ist, solche Rennen erfolgreich zu bestreiten und dabei solche Glücksmomente zu erleben, habe ich ein Stück weit meinem Arbeitsweg zu verdanken. Die Strecke vom Aargau nach Zürich bietet mir dafür die ideale Trainingsgrundlage. Ich bin sehr dankbar, dass mir mein Arbeitgeber die nötige Infrastruktur für mein Bike-to-work-Training zur Verfügung stellt. Ich habe die Möglichkeit zu duschen und mich umzuziehen und ich kann mein Velo mit ins Bürogebäude nehmen. Somit muss ich nicht Angst haben, dass es gestohlen wird. Diese Umstände erleichtern es mir natürlich, das Velo als Transportmittel zu nutzen.

Den Entschluss wenn immer möglich mit dem Velo zur Arbeit zu fahren, traf ich auch aus einem anderen wichtigen Grund: Ich möchte mich möglichst nachhaltig und umweltschonend im Verkehr bewegen. Velofahren verbrennt Zucker und Fett, kein Benzin. So leiste ich meinen Beitrag zum Umweltschutz. Wenn ich mit dem Velo zur Arbeit komme, bin ich sehr leistungsfähig. Ich fühle mich extrem wach, motiviert und aufnahmefähig. Der Start in den Tag ist einfach ein ganz anderer. Unterwegs können manchmal gute Ideen keimen. Nicht selten finde ich dabei Lösungsansätze für Probleme und Herausforderungen in meinem Berufsalltag.

Für mich ist Velofahren eine Win-Win-Situation, die ich unter keinen Umständen missen möchte.

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