Lifestyle
Adrian Hess, 46, fliegender Velomech

Malee ist mein ökologischer Antrieb

Aufgezeichnet von Cornelia Schlatter

Die Faszination fürs Velo hat mich schon ganz früh in meiner Kindheit gepackt. Aus einer Faszination wuchs im Laufe der Jahre eine regelrechte Passion. Früher bin ich eine Zeit lang sehr viel Rennvelo gefahren und als es dann Zeit war, und ich mich für eine Lehrstelle entscheiden musste, habe ich mich zu einer Lehre als Velomechaniker entschlossen. Mir gefällt die Abwechslung in diesem Beruf, einerseits der technische Aspekt, andererseits der Verkauf und die Beratung der Kunden. Diese Kombination von Werkstatt und Kundenkontakt schätze ich ausserordentlich.

Fliegender Velomechaniker

Der Schritt zum eigenen Geschäft kam schleichend. Erst fragten mich, je länger je öfter, Verwandte und Freunde an, ob ich ihr Velo reparieren könnte. So dehnte sich das immer mehr aus, bis ich mich schliesslich selbständig machte, Kunden hatte ich genug. Mein Geschäftsmodell ist speziell. Die Kundschaft besuche ich meist zuhause mit meiner mobilen Velowerkstatt und repariere ihr Velo gleich vor Ort. Ich bin sozusagen ein fliegender Velomechaniker.

Adi Hess, mobiler Velomechaniker

Natürlich bringen auch viele ihr Velo bei mir in der Werkstatt vorbei. Zu meiner Kundschaft gehören Pendler, Sportler oder Eltern, deren Kinder mit dem Velo den Schulweg zurücklegen und auch Alltagsvelofahrende, die mit dem Velo zum Einkaufen fahren oder die Kinder zum Kindergarten fahren.

Zufriedenen Kundschaft

Meine Kundschaft schätzt den Service, dass ich zu ihnen nach Hause komme und das Velo gleich repariere oder zum reparieren mitnehme. Ich bediene auch Firmen, die eine Velo-Flotte betreiben oder die einfach gut zu ihren Mitarbeitern schauen, die mit dem Velo zur Arbeit pendeln. Diesen bezahlten sie dann einen Velo-Check oder einen kleinen Service. Das ist ein vorbildlicher Ansatz. Denn, das Velo ist so ein praktisches Transportmittel, steht immer zur Verfügung und muss nie aufgetankt werden. Aus eigener Kraft vorwärts zu kommen und die Umgebung bewusst wahrzunehmen, sind weitere Pluspunkte, die fürs Velofahren sprechen.

Helfer in der Not

Früher war Velofahren für mich klar ein Sport, heute ist es Freizeit. Velofahren bedeutet für mich Ruhe und Freiheit, dabei kann ich wunderbar abschalten. In meiner Freizeit restauriere ich gerne alte Rennvelos.

Manchmal gibt es ganz tolle Begegnungen. Wenn ich unterwegs bin und jemanden mit einem platten Reifen am Strassenrad sehe, halte ich falls möglich und biete meine Hilfe an. Viele sind dann recht überrascht, dass ihnen gleich jemand zu Hilfe kommt und sie anschliessend ihr Training oder ihre Heimfahrt fortsetzen können. Da ernte ich oft ungläubige Blicke.

In meiner Freizeit restauriere ich gerne alte Rennvelos

Bis 2017 hatte ich sogar ein eigenes Velogeschäft mit Showroom, Verkaufsladen und Angestellten. In dieser Zeit habe ich drei Lehrlinge ausgebildet, zwei davon arbeiten immer noch auf dem Beruf. Als dann die Liegenschaft verkauft wurde, war es für mich Zeit, wieder zu meinen Wurzeln mit der Werkstatt und meiner mobilen Velowerkstatt zurückzukehren.

Flexibel unterwegs

Die flexible Arbeitsweise gibt mir ausserdem einen gewissen Spielraum. Seit 2017 arbeite ich mit der Koordinationsstelle Veloverkehr des Kantons Zürich zusammen. Dort unterstütze ich sie ab und zu bei Events, die gemeinsam mit der Kantonspolizei durchgeführt werden. Ich prüfe die Kindervelos auf verkehrssicherheitsrelevante Aspekte wie Bremsen, Reifen und deren Druck und führe wenn möglich kleinere Arbeiten gleich aus. So können sich die Kinder damit sicher im Strassenverkehr bewegen. Das liegt mir sehr am Herzen. Vielen Eltern ist oft gar nicht bewusst, wie häufig ihre Kinder das Velo brauchen. Sie denken, dass die Kinder damit ja «nur» in die Schule fahren. Sie unterschätzen die Abnutzung der Bremsbeläge und auch der Reifen.

Dog Scooting

Die Kunden fragen mich oft, ob ich regelmässig Velofahren gehe. Die Antwort ist meist dieselbe: Ich mag meinen Beruf und repariere gerade so gerne Velos, als dass ich selbst Velofahren gehe. Die Kunden möchten ihr Velo meistens so rasch wie möglich wiederhaben. Somit fahre ich wirklich nur noch selten. Jedoch habe ich mich einem anderen Zweiradsport verschrieben, dem Dog Scooting. Meine Frau und ich haben zwei Hunde, einer davon ist Malee, unsere Thai Ridgeback-Hündin, sie hat einen grossen Bewegungsdrang und liebt es zu rennen, sie ist sehr kräftig.

Wenn immer möglich gehen wir gemeinsam zum Dog Scooting. Das ist ein Zughundesport mit einem grossen Trottinett und einer Vorrichtung, bei der man die Hundeleine einhängen kann. Malee trägt dabei ein Hundegeschirr. Die Hunde brauchen sowieso Auslauf und so können wir das gleich verbinden. Es macht grossen Spass. Malee ist mein ökologischer E-Antrieb!

Velobranche explodiert

Das Corona-Jahr war sehr streng, da unglaublich viel lief. Die Menschen waren im Homeoffice, die Fitnesscenter hatten zu. So fuhren die Leute hauptsächlich Velo oder gingen joggen. Die Velobranche ist regelrecht explodiert. Ich habe sogar ein paar meiner persönlichen Velos inklusive E-Bike verkauft. Ein positiver Nebeneffekt von Corona ist, dass viele Eltern vermehrt zuhause sind. So fanden wieder mehr Familienaktivitäten, wie Velofahren statt.

E-Bikeboom und Pandemie

Trotz e-Bikeboom repariere ich immer noch mehrheitlich normale Velos. Trotzdem glaube ich, dass e-Bikes eine grosse Zukunft haben. Die Menschen fahren viel weitere Strecken und muten sich mehr zu. Besonders im innerstädtischen Bereich könnten Firmen noch viel mehr machen mit Velos und e-Bikes. Die Distanzen sind kurz und mit dem Velo kommt man einfach viel rascher und direkter zum Ziel.

Auch dieses Jahr wird sicher wieder streng und herausfordernd, für mich und die ganze Velobranche. Aber ich mache das gerne. Ich möchte den Menschen sicheres Velofahren ermöglichen. Wenigstens einen Lichtblick sollen sie in dieser Pandemie haben. Manche Kunden sind ein wenig enttäuscht, wenn sie auf ihr Velo warten müssen. Deshalb tue ich mein Bestes, um das zu vermeiden.

Info-Box:

Dog Scooting ist ein Zughundesport mit einem Tretroller (grosse Trotinett). Dog Scooting gehört zu einer der drei Hauptrichtungen des Schlittenhundesports, dem „Dry Land Mushing“.

Adrian Hess unterstützt die Koordinationsstelle Veloverkehr sporadisch an Veloschuel-Erlebnisnachmittagen oder SlowUps, checkt dort Kindervelos auf ihre Sicherheit und hat da schon so manchen Lenker festgezogen oder Bremsen repariert.

Weitere Geschichten